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Wolfgang Jentsch: 67 Jahre an der gleichen Orgel

Wolfgang Jentsch hat einen Rekord aufgestellt, der wohl seinesgleichen sucht. 67 Jahre lang musizierte er an derselben Orgel in Niedersachsen.

Superintendentin Christiane de Vos verabschiedet den langjährigen Drakenburger Organisten Wolfgang Jentsch.
Superintendentin Christiane de Vos verabschiedet den langjährigen Drakenburger Organisten Wolfgang Jentsch.Karin Tote

Während die Pastoren kamen und gingen, war Wolfgang Jentsch die Konstante in der Kirchengemeinde Drakenburg-Heemsen, die zwischen Bremen und Hannover liegt. „Ich bin jeden Sonntag mit Freude zum Gottesdienst gefahren“, sagt der Organist, der erst vor Kurzem aus seinem Dienst an der Johannis-der-Täufer-Kirche in Drakenburg verabschiedet wurde – nach 67 Jahren an ein und derselben Orgel.

Bekanntschaft mit der Meyer-Orgel machte Jentsch zum ersten Mal 1958, als er auf Bitten von Pastor Ernst Schmidt den dortigen Organisten vertreten sollte, der erkrankt war. Doch aus einigen Sonntagen wurden Jahre voller Begeisterung, in denen Jentsch die Gemeinde und den Posaunenchor begleitete, zuletzt auch in Heemsen und Anderten. Er spielte in zahllosen Gottesdiensten, bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen sowie zu besonderen Anlässen, darunter Konzerte, die er mit einer Opernsängerin gab.

Als Kind war Jentsch wegen der Orgel im Gottesdienst

Schon als Kind habe er seine Liebe zu diesem außergewöhnlichen Instrument entdeckt, erzählt der heute 89-Jährige, der im damaligen Schlesien geboren wurde und heute in Husum südlich von Nienburg lebt. „Schon als Kind war ich regelmäßig im Gottesdienst, weil mich die Akustik dieses Instruments so faszinierte.“ Schon damals habe er sich ein Klavier gewünscht. Doch erst nach dem Krieg konnten seine Eltern diesen Wunsch erfüllen.

Bald nach dem Krieg verließ Jentsch seine Heimat und begann eine kirchliche Verwaltungslehre im Norden Deutschlands. Seine Liebe zur Orgel hatte er jedoch stets im Gepäck. „Ich könnte nicht ohne Musik leben.“ Vom ersten Geld kaufte er sich ein Klavier, nahm Unterricht und übte auch das Orgelspiel, sodass er schon 1951 zum ersten Mal öffentlich an der Husumer Orgel musizierte. 1959 legte er seine Organisten-D-Prüfung am Dom zu Verden ab.

Mit 89 Jahren übt Jentsch noch täglich

Die Leidenschaft für die Musik liege in der Familie, sagt Jentsch. Einer seiner beiden Söhne sei seit 30 Jahren Organist in Husum, der andere spiele Geige. Seine Schwiegertochter sei Organistin in Marklohe. „Zusammen können wir deutlich mehr als 100 Jahre Orgelspielen feiern“, scherzt Jentsch, der sein Einkommen jedoch nicht als Organist, sondern als kirchlicher Verwaltungsbeamter verdient hat. Zuletzt war er Leiter des Kirchenkreisamtes in Nienburg

Seine Liebe zur Musik sei dabei allerdings nie zu kurz gekommen. Noch heute spiele er täglich einige halbe Stunden lang an seinem Klavier oder seinem Flügel, erzählt der Pensionär. Besonders Werke von Bach, Mozart, Beethoven und Schubert schätze er. Am liebsten möge er jedoch das Kleine Präludium von Bach in F-Dur. „Die Tastatur des Klaviers ist immer offen. Gerade übe ich Schuberts Impromptus.“ Außerdem halte er sich mit den „Clementi Sonatinen“ fit. Das Musizieren sei zwar schwieriger geworden. „Aber ich bleibe am Ball so gut es geht.“