Wolfgang Huber: Widerstand der Bekennenden Kirche bleibt aktuell

Wolfgang Huber war zu Gast in der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sein Apell zum Thema Widerstand in der NS-Zeit: „Im Rückblick ergibt sich die Verpflichtung für eine demokratische Kultur einzutreten.“

Wolfgang Huber hielt einen kritischen Vortrag über die Kirchen und den Widerstand in der NS-Zeit
Wolfgang Huber hielt einen kritischen Vortrag über die Kirchen und den Widerstand in der NS-ZeitKAS/ Christiane Stahr

Die evangelische Senderbeauftragte für den rbb, Barbara Manterfeld-Wormit, war selbst einmal Pfarrerin in der Berliner Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Lankwitz. Dort habe, berichtete sie beim „Forum 20. Juli 1944 – Vermächtnis und Zukunftsauftrag“ der Konrad-Adenauer-Stiftung, eine Bonhoeffer-Büste zuerst am Altar gestanden, später sei diese aber in den rückwärtigen Raum verlegt worden. „Sichtbar ist er auf alle Fälle“, stellte sie vor den Besuchern und Besucherinnen fest. Unter ihnen war auch Alt-Bundespräsident Horst Köhler.

Wolfgang Huber über die Kirche in der NS-Zeit

Sie fragte den Referenten des Abends, Professor Wolfgang Huber, was der Theologe des Widerstands heute für die Menschen bedeute, die nicht kirchlich oder christlich gebunden sind. Huber sagte, die Frage mache ihn stutzig, weil sie den Anschein erwecke, man müsse sich entschuldigen, wenn man Christ sei. Aus dem Bonhoeffer-Text „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ spreche die Erfahrung von einer Geborgenheit durch Gott. Das dürfe nicht verheimlicht werden.

„Der Widerstand der Bekennenden Kirche“, so Hubers Vortragstitel, zeigte dann, dass der Begriff „Bekennende Kirche“ vor allem für die Evangelische Kirche verwendet worden ist. Ökumenische Verbindungen waren damals noch keineswegs so ausgeprägt, dass es zu einer organisierten Zusammenarbeit hätte kommen können. Die Regierung unter Adolf Hitler habe beide großen Kirchen ins Visier genommen: Die katholische Kirche schloss 1933 ein Reichskonkordat, das evangelische Kirchenleben sollte befriedet, also im Sinne des Nationalsozialismus gleichgeschaltet werden.

Hierarchisierung der Kirchenorganisation

Die Glaubensbewegung der Deutschen Christen hatte sich auf dem Boden eines positiven Christentums gewähnt, das Menschen jüdischer Herkunft ausschloss. Eine „judenfreie Kirche“ war das Ziel. Eine Hierarchisierung der Kirchenorganisation und ihrer leitenden Geistlichen setzte ein: „Nun wurden sie alle in Windeseile Bischöfe“, beschrieb Huber den Wandel in den evangelischen Landeskirchen. Allein Bayern, Württemberg und Baden bewahrten sich eine gewisse Eigenständigkeit, nicht aber die Kirchen in preußischen Ländern.

Eine Diskussion über Bonhoeffer und die Bekennende Kirche in der Konrad-Adenauer-Stiftung
Eine Diskussion über Bonhoeffer und die Bekennende Kirche in der Konrad-Adenauer-StiftungKAS/ Christiane Stahr

Schon früh hat Dietrich Bonhoeffer vor dem drohenden Missbrauch des „Führerprinzips“ auch in der Kirche gewarnt. Vor allem forderte er, den Opfern staatlichen Fehlverhaltens beizustehen und nicht nur „die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“. Doch die Bekennende Kirche, so Huber, blieb bemerkenswert blass.

Als sie im Mai 1934 die Barmer theologische Erklärung veröffentlichte, fand man darin viel Richtiges, aber keinen Satz zu den bedrohten Jüdinnen und Juden. „Jesus war Jude“, habe Bonhoeffer dazu später erklärt.

Ein enttäuschter Bonhoeffer

Über diese Entwicklung in seiner Kirche sei, so Huber, Bonhoeffer dermaßen enttäuscht gewesen, dass er sich entschloss, als Auslandspfarrer in London tätig zu werden. Auch später habe er gegenüber der Bekennenden Kirche sich eine kritische Haltung bewahrt.

Sie war „Kirche in der Selbstverteidigung – kein Wagnis für andere.“ Deshalb sei es bis heute falsch, katholische und evangelische Kirche über ihre Amtsträger zu definieren. Sie sei eine der Kirche aller Glaubenden. Und dazu zählten neben den Männern im Widerstand besonders deren Frauen.

Huber: Märtyrer des Widerstands dürften kirchlich nicht vereinnahmt werden

Huber sprach sich gegen eine Verklärung Bonhoeffers aus. Seiner Rolle als „Symbolgestalt des deutschen Widerstands“ müsse entgegengehalten werden: „Er gehörte nicht zu dessen zentralen Personen.“ Diese verbinden sich mit Namen wie Hans von Dohnanyi, seinem Schulfreund, der dafür sorgte, dass Bonhoeffer 1940 als V-Mann des Amts Ausland in der militärischen Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht konspirative Aufträge ausführen konnte.

Auch Hans Oster, Wilhelm Canaris zählen dazu. Die Märtyrer des Widerstands dürften kirchlich nicht vereinnahmt werden, aber ihr christliches Gewissen und ihre Haltung müsse man ernst nehmen und sie verdiene Achtung. Ihr Mut zu einer freien Verantwortung beruht auf einem Gott, der eine verantwortliche Tat fordert und dem Sünder Vergebung und Trost zuspricht.

Appell: Verpflichtung für eine rechtstaatliche Kultur

Deshalb müsse der Widerstand aus christlicher Überzeugung genauso in Erinnerung bleiben wie der Kirchenkampf der verfassten Kirche. Die sogenannten Laien sind das Volk. Die Rolle von Dietrich Bonhoeffer im Widerstand könne nur mit seinen Freunden gesehen werden. Er habe keine Schlüsselrolle. Aber deshalb gehöre zu Bonhoeffer auch seine nüchterne Erkenntnis: „Wir müssen dem Schicksal ebenso entschlossen entgegentreten wie uns ihm zu gegebener Zeit unterwerfen.“

Huber endete mit einem Appell: „Im Rückblick auf diese Zeit ergibt sich die Verpflichtung gemeinsam für eine rechtstaatliche und demokratische Kultur einzutreten, Menschen beizustehen, deren Leben durch Krieg und Terror gefährdet ist. Und inmitten einer um sich greifenden Gottvergessenheit, dem Mut des Glaubens Raum zu geben.“

Nothelle-Wildfeuer: Programm der AFD nicht vereinbar mit christlicher Botschaft

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion waren neben Huber die Freiburger katholische Professorin Ursula Nothelle-Wildfeuer, der Münchner Kirchenhistoriker Harry Oelke und der Geschäftsführer der jüdischen Studierendenunion Deutschland, Vladimir Blumin-Sint beteiligt.

Nothelle-Wildfeuer hob hervor, in den Freiburger Widerstandskreisen habe es wichtige katholische Mitglieder gegeben. Entscheidend sei hier das Verwurzelt sein im christlichen Gewissen. Das sogenannte Freiburger Konzil habe einen Bekenntnistext entworfen, auf den Bonhoeffer aufmerksam geworden sei und er angeregt habe, daraus eine Denkschrift zu entwickeln. Deutlich sei damals geworden: „Die Kirche besteht nicht aus Amtsträgern“, betonte die Professorin. Heute müsse man feststellen, dass das politische Programm der AFD definitiv nicht vereinbar mit der christlichen Botschaft sei.

In den Beiträgen kam das Wort „Zivilcourage“ zur Sprache, das Bonhoeffer wohl aus seinen Aufenthalten in den USA mitgebracht hatte. Der Münchner Historiker Oelke sah darin einen Erfolg, dass junge Menschen durch die Erinnerungskultur des Widerstands einen Anstoß zu eigenem couragiertem Verhalten erhielten. Huber sieht aktuell die Zeit für eine „Agenda der Selbstkritik“ in der Kirche gekommen. „Wir müssen aus der Selbstgefangenschaft unserer Kirchen herauskommen.“

Roger Töpelmann ist freier Autor