Wohlfahrt und Flüchtlingsrat kritisieren Unterbringung Geflüchteter
In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen werden nach Ansicht der Freien Wohlfahrtspflege NRW und des Flüchtlingsrates NRW gesetzliche Mindeststandards missachtet. So seien grundlegende Bedürfnisse wie Schutz vor Gewalt in den Einrichtungen oftmals nicht sichergestellt, kritisierte die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, Birgit Naujoks, am Mittwoch in Düsseldorf. „Wir appellieren an das Land NRW in allen Landesaufnahmeeinrichtungen, die Einhaltung der rechtlichen Regelungen und verbindlichen einheitlichen Standards für die Unterbringung zu gewährleisten und zu kontrollieren.“ Notwendig sei ein Konzept zur menschenwürdigen Unterbringung und Integration Geflüchteter, wie es im Koalitionsvertrag der Landesregierung angekündigt worden sei.
In Nordrhein-Westfalen seien die rund 30.000 Plätze in den 48 Sammelunterkünften des Landes komplett belegt, sagte Naujoks. Die Menschen seien oftmals auf engstem Raum ohne abschließbare Türen untergebracht. „Das Fehlen eines sicheren Rückzugsortes macht viele Menschen mürbe und krank.“ Oftmals lebten die Menschen in Zelten oder Hallen, die keinerlei Rückzugsräume böten, sagte Naujoks. Vor allem Frauen mit Gewalterfahrungen oder traumatisierte Menschen litten unter den Lebensbedingungen in den Notunterkünften. Kinder seien dort nicht adäquat untergebracht, kritisierte Michael Mommer, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Migration der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Der Zugang zu Bildung und eine kindgerechte Gesundheitsversorgung seien nicht gewährleistet.
Die Unterkünfte erfüllten häufig weder die Anforderungen des Landesgewaltschutzkonzepts noch die Vorgaben der EU-Asylverfahrensrichtlinie oder UN-Kinderrechtskonvention, sagte Naujoks. So lebten die Menschen teilweise in schlecht beheizten und undichten Zelten. Es mangele an Sprachkursen und Beschäftigungsangeboten sowie dem direkten Zugang zu Ärzten. Die Geflüchteten bekämen oftmals auch keine Informationen über Beratungsangebote oder die Stellen seien teilweise für sie nicht erreichbar. So müssten viele Geflüchtete alleine durch das Asylverfahren navigieren.
Zudem fehle es an einer systematischen Früherkennung und angemessener Behandlung traumatisierter Flüchtlinge, berichtete Eva van Keuk, Psychotherapeutin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf. Traumatisierte Menschen hätten mit entsprechender Therapie sehr gute Heilungschancen. „Dazu braucht es aber menschenwürdige Bedingungen und ein Gefühl von Schutz.“ Zwar gebe es in den Landesunterkünften eine psychosoziale Erstberatung. Diese scheitere aber oft daran, dass es zu wenig Mittel für Dolmetscher gebe oder die Unterkünfte überfüllt seien. In manchen Fällen verschlechtere sich der psychische und gesundheitliche Zustand von Geflüchteten wegen der Lebensbedingungen in den Unterkünften dramatisch.