Woher der Aprilscherz kommen könnte

Das achte Gebot lautet: Du sollst nicht lügen. Am 1. April aber gibt es die offizielle Erlaubnis, andere zu veräppeln. Woher diese Tradition stammt, darüber gibt es mehrere Theorien.

Das war leider kein Aprilscherz: Im vergangenen Jahr schneite es am 1.April in Kassel
Das war leider kein Aprilscherz: Im vergangenen Jahr schneite es am 1.April in KasselImago / Hartenfelser

„Die 37 besten Aprilscherze“ verrät ein Shopping-Portal im Internet. „10 Aprilscherze, mit denen du jeden auf die Palme bringst“ verkündet die Tageszeitung. Und mit geheimnisvollen „Aprilscherzen nur für Erwachsene“ macht eine Frauenzeitschrift auf sich aufmerksam.

Eine schon Jahrhunderte alte Tradition macht gegenwärtig Karriere, zumindest im Internet. Allerdings verliert sie durch solche Tipps viel von ihrer Spontaneität. Das „in den April Schicken“ ist vor allem in christlich geprägten Ländern und in Indien verbreitet. In den USA etwa feiert man den 1. April als den „April Fool’s Day“, in Frankreich und in Italien wird der Gefoppte als „Aprilfisch“ bezeichnet. Wissenschaftlich gesichert ist, dass die Redensart „in den April schicken“ in Deutschland 1618 in Bayern erstmals auftaucht.

Wie beim Karneval

Warum die Tradition, seine Mitmenschen mit mehr oder weniger lustigen Falschmeldungen in die Irre zu schicken, so reizvoll ist, liegt auf der Hand: Anders als an den übrigen 364 Tagen des Jahres darf man am 1. April bewusst die Unwahrheit sagen. Wie beim Karneval hat eine solche Umkehrung der geltenden Konventionen eine entlastende Funktion – gerade in solch düsteren Zeiten wie gegenwärtig, in denen Russlands Diktator Wladimir Putin hemmungslose Kriegspropaganda verbreitet und Fake News das ganze Jahr über die sozialen Netzwerke überschwemmen.

Für den Hamburger Psychologen Philipp Gerlach gibt es große Unterschiede zwischen Aprilscherzen und Lügen. Zum einen stehe am 1. April nicht der persönliche Profit, sondern die Schadenfreude im Vordergrund, erklärt der Dozent an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Zudem würden Aprilscherze vom Lügner selbst aufgelöst („April, April“). „Eine solche Auflösung geschieht bei den üblichen Lügen meist nicht durch den Lügner selbst und eher unfreiwillig.“

Gerlach war Mitautor einer 2019 veröffentlichten Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und israelischer Wissenschaftler mit über 44.000 Teilnehmern und vielen Experimenten. Dabei haben die Autoren herausgefunden, dass Männer tendenziell leicht mehr lügen als Frauen. Gerlach unterscheidet zwischen „weißen Lügen“, die oft aus Höflichkeit und aus Diplomatie geschehen und beiden Seiten nutzen – und „schwarzen Lügen“, bei denen eine Seite sich Vorteile verschaffen will. Der Aprilscherz steht dazwischen.

Launischer April

Volkskundler sehen mehrere mögliche Ursprünge für die Tradition, die den vom Wetter her oft launischen April einleitet: So sollen die Römer am 1. April zu Ehren der Venus rauschende Feste gefeiert haben, derbe Scherze inklusive. Auch das Herumschicken Jesu nach seiner Verhaftung „von Pontius zu Pilatus“ soll am 1. April stattgefunden haben. Der Tag habe frühen Christen als der Geburtstag des Judas gegolten, schreibt der Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Er sieht zudem Zusammenhänge mit dem germanischen Frühjahrsbrauchtum: Bei den Germanen habe der in den April geschickte Narr den machtlosen Winter verkörpert, der geneckt wurde, damit er sich möglichst schnell verzieht.

Als besonders plausibel gilt unter Volkskundlern aber die Theorie, dass der 1. April auf das Pech von Spekulanten im Jahr 1530 zurückgeht. Auf dem Reichstag zu Augsburg wollte Kaiser Karl V. das Münzwesen neu regeln. Zahlreiche Spekulanten investierten daraufhin ihr Erspartes in der Hoffnung, am sogenannten Münztag große Gewinne zu erzielen. Als dieser dann aber gar nicht wie vorgesehen am 1. April stattfand, verloren sie ihr Geld und wurden zudem noch als „Narren“ ausgelacht.

Frankreich reformierte den Kalender

Eine weitere, häufig angeführte Erklärung ist nach Darstellung des Regensburger Kulturwissenschaftlers Gunther Hirschfelder die Durchführung einer Kalenderreform in Frankreich in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Karl IX. von Frankreich verlegte demnach 1564 den Jahreswechsel, der bis dahin am 1. April datierte, auf den 1. Januar. Damit brachte er nicht nur die Tradition durcheinander, am 1. April Geschenke zu verteilen, sondern narrte auch diejenigen, die der neuen Regel nicht folgen wollten oder aus Unwissen weiterhin am 1. April Neujahr feierten.