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Wissenschaftlerin kritisiert Umgang mit antisemitischem Gedankengut

Die Wissenschaftlerin und Antisemitismusforscherin der TU Berlin, Monika Schwarz-Friesel, hat an Vertreter sogenannter Qualitätsmedien appelliert, stereotype Formulierungen und Sprachbilder im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt und Israel zu vermeiden. Auf Einladung der Kölner Mediengespräche des Von Halem Verlags plädierte sie am Dienstagabend für einen geschichtsbewussten Sprachgebrauch, „ohne in die Antisemitismus-Kiste zu greifen“. Scharfe Kritik an Israel und der dortigen Regierung sei „selbstverständlich möglich, aber ohne antisemitische Tendenzen“.

In ihrem Impulsvortrag der Veranstaltung „Antisemitismus in den Medien“ verwies die Inhaberin des Lehrstuhls für Kognitive Medienlinguistik an der TUI Berlin beispielhaft auf die oft zu findende Formulierung eines „Geiselaustauschs“ zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas. In Wahrheit aber würden israelische Geiseln und palästinensische Verbrecher freigelassen, sagte sie. Auch bei der Zuschreibung „propalästinensisch“ von Demonstrationen oder Demonstranten mahnte sie zur Vorsicht. „Wären sie propalästinensisch, würden sie gegen die Hamas demonstrieren.“

Durch die massive Zunahme antisemitischer Vorfälle in Deutschland seit dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten am 7. Oktober 2023 sei die jüdische Community traumatisiert, Zivilgesellschaft und Medien in Deutschland hätten versagt, kritisierte Schwarz-Friesel. Israel werde dämonisiert. Die Judenfeindschaft sei seit Jahren immer gleich geblieben, eine „Wiederholung der Wiederholung“. Antisemitismus finde sich in Deutschland unter Linksextremisten, Rechtsextremisten, unter Muslimen und in der „gebildeten Mitte“.

Abraham Lehrer, Vorsitzender der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, berichtete von zunehmenden Ausgrenzungserfahrungen der Gemeindemitglieder etwa am Arbeitsplatz. Wegen des militärischen Vorgehens Israels im Gaza-Streifen nach dem Hamas-Überfall würden Sätze wie „Lass uns mal eine zeitlang getrennte Wege gehen“ häufiger fallen, schilderte Lehrer. Pauschale Verurteilungen wie „Ihr seid doch alle Mörder“ müssten sich auch jüdische Kinder hierzulande anhören.

Lehrer würdigte aber auch die Zeichen der Solidarität von demokratischen Parteien und Verbänden. Auch Lehrer betonte, dass Kritik an der israelischen Regierung möglich sei. Keinem Demokraten könne es gefallen, dass zwei Rechtsextreme im israelischen Regierungskabinett säßen.

In der Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zählen zu den Rechtsextremen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich.