Mehr als 300 Wissenschaftler haben in einem öffentlichen Schreiben den Umgang mit der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf kritisiert. Das Verhalten in Politik und Öffentlichkeit rund um die gescheiterte Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichts schade den beteiligten Institutionen und der demokratischen Ordnung, heißt es in der Erklärung, die unter anderem über die Universität Bochum veröffentlicht wurde. Zu den Unterzeichnern gehören die ehemaligen Verfassungsrichter Susanne Baer und Andreas L. Paulus.
Aus Sicht der Wissenschaftler ist die SPD-Richterkandidatin Brosius-Gersdorf eine hoch angesehene Staatsrechtlerin: “Alle Äußerungen, die ihre wissenschaftliche Reputation in Frage stellen, sind daher schlicht unzutreffend und unsachlich.” Natürlich könne man Kritik an einzelnen Positionen der Juristin üben. Äußerungen, diese Positionen wären abseitig oder radikal, seien allerdings von Unkenntnis der rechtswissenschaftlichen Debatte geprägt. Forderungen von Bundestagsabgeordneten, Brosius-Gersdorfs Universität möge Maßnahmen gegen sie ergreifen, seien ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit.
Plagiatsvorwürfe “ausgesprochen unglaubhaft”
Die am Tag der Wahl vorgebrachten Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf bezeichnen die Wissenschaftler als “ausgesprochen unglaubhaft” und als “Angriff auf das Ansehen der Wissenschaft”. Weiter heißt es in dem Schreiben: “Im Richterwahlausschuss eine Kandidatin zunächst zu bestätigen, um dann gegenüber ideologisierten Lobbygruppen und mit Unwahrheiten und Diffamierungen gespickten Kampagnen zurückzurudern, zeugt zumindest von fehlendem politischem Rückgrat und mangelnder interner Vorbereitung.”
Am vergangenen Freitag war die Wahl dreier neuer Verfassungsrichter für Karlsruhe im Bundestag gescheitert. Sie soll nun nach der Sommerpause nachgeholt werden. Grund waren Auseinandersetzungen um die von der SPD vorgeschlagene Brosius-Gersdorf. Vorbehalte existieren vor allem bei CDU und CSU wegen der liberalen Haltung der 54 Jahre alten Juristin zur Abtreibungsregelung.
