Wissenschaftler sieht “Trumpismus” auch in Deutschland

Der Extremismusforscher Andreas Zick sieht im „Trumpismus“ eine Kommunikationskultur, die auch in Deutschland einzieht. Es reiche, anderen übertriebenen Moralismus vorzuhalten oder Soziale Medien mit Horrorgeschichten zu befeuern, um Bürger in Wut auf die Demokratie zu bringen. Das gebe es auch in Deutschland, sagte der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Die Polarisierung, auch in Deutschland, stärke die Ränder, warnte der Konfliktforscher.

epd: Gibt der Trump-Sieg den Rechtspopulisten und -extremisten auch in Deutschland Aufwind?

Andreas Zick: Das tut es unmittelbar. Die AfD hat vor Ende der Auszählung der Stimmen gratuliert. Die Allianz mit Trumpanhängern ist schon aufgebaut. Inwieweit die Rechtsextremen und der rechtsradikale Rand des Rechtspopulismus sich von Siegesideen anstecken lassen und aus dem amerikanischen Wahlkampf Aufwind verspüren, ist schwerer einzuschätzen. Sie werden das als Erfolg des Nationalchauvinismus und Sieg der Weißen interpretieren. Sie schauen, wo Rassismus und politische Gewalt jetzt in den USA auftauchen und gefeiert werden. Das hat Vorbildfunktion und wird in den Sozialen Medien als Bestätigung der Ideologie geteilt.

Populismus und Extremismus werden aber auch neue Allianzen bilden, weil sich ihrer Meinung nach die Stereotype und herabwürdigen Erzählungen über Minderheiten und eine unkonkrete und verallgemeinernde Migrations- und Wirtschaftspolitik ausgezahlt haben. Das ist aber nicht nur an den populistischen wie extremistischen Rändern zu beobachten.

epd: Wie sieht das in Deutschland aus?

Zick: In Deutschland sind auch in der Mitte rechtsextreme Orientierungen und eine Akzeptanz politischer Gewalt angestiegen. Daran kann der „Trumpismus“ in Europa anknüpfen. Und das ist derzeit erfolgreich, wie wir an den Landtagswahlen in Deutschland, die auch von globalen populistischen Politikvorstellungen geprägt waren, wie auch in den Nachbarländern beobachtet haben. Die Mitte, die in Deutschland den Ausgleich der polarisierten Ränder suchen muss, ist schwächer denn je. Beschäftigt sie sich jetzt nur mit der Ungewissheit und Unsicherheit, ist das Wasser auf einen Populismus, der Heilsbotschaften und Untergangsszenarien predigt.

epd: Kann es in Deutschland zu einem ähnlichen Szenario kommen, dass sich der Populismus durchsetzt?

Zick: In der Forschung und der politischen Berichterstattung ist seit Langem eine Normalisierung populistischer, verschwörungsorientierter, autoritärer wie rechtsextremer Bilder, Sprachen und Kampagnen zu beobachten. Der Trumpismus ist eine politische Kommunikationskultur, die auch hier einzieht. Sie ist real auf Wahlveranstaltungen, Plakaten und in Debatten zu beobachten. Es reicht, anderen „Wokismus“ (übertriebene Aufmerksamkeit gegenüber vermeintlicher Diskriminierung) vorzuhalten, es reicht Lügengeschichten von Minderheiten in die Welt zu setzen, es reicht, Soziale Medien dauernd mit Horrorgeschichten zu befeuern, um Bürger in Wut und auf Distanz zur Demokratie zu bringen. All das läuft ja seit Jahren. Die Frage ist, ob die Demokratie gut genug vorbereitet ist, mit der Ungewissheit populistischer und radikaler Regierungen und Einflussnahmen umzugehen.

epd: Wie kann das aussehen?

epd: Allein sich an Falschnachrichten und überbordenden Heilsbildern, die andere ausgrenzen, abzuarbeiten, ist offensichtlich keine gute Vorbereitung. Die Frage ist, welche Grundwerte und -normen eingehalten oder infrage gestellt werden. Die Frage ist, wie sich politisch populistische oder extremistische Orientierungen eigentlich in der Mitte bilden.

epd: Wie kann in Deutschland eine zunehmende Politikverdrossenheit und Demokratie-Skepsis verhindert werden?

Zick: Gegen Verdrossenheit hilft Hoffnung, und die ist offensichtlich verloren gegangen. Es reicht nicht, das Misstrauen zu bejammern. Es ist richtig, dass viele Bürgerinnen und Bürger das wichtigste Kapital, das sie in Politik setzen, ihr Vertrauen, abgezogen haben – nicht nur hier, sondern in Europa. Aber vielleicht ist unklar, was das heißt und was es bedeutet, wenn Grundwerte nicht mehr geteilt werden. Wir beobachten, dass in Krisen viele Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen abziehen und an einen Nationalismus glauben. Die Gesellschaft schließt sich ein, weil der Glaube daran, so besser durch Krise zu navigieren, steigt.

epd: Was hat das für Folgen?

Zick: Die Öffnung für politische Heilsbotschaften steigt. Dabei ist vielen nicht klar, dass autoritäre Regime auf Kontrolle, Sicherheitsüberwachung, Druck und Ausschluss von Vielfalt der Meinungen setzen. Die „Kosten“ des Rassismus in den USA sind hoch. Vielleicht ist vielen auch unklar, dass Trump mit einem neuen politisch-religiös aufgeladenen Populismus, der unterhaltsam scheint, am Ende auf viele angewiesen ist.

epd: Welche Herausforderungen kommen auf Deutschland zu?

Zick: Die Polarisierung, auch die in der Regierung in Deutschland, stärkt die Ränder. Es kommt jetzt darauf an, die Frage zu beantworten, was uns zusammenhält, wenn wir auf die USA und die Spaltung dort schauen: Ein ausgrenzender Nationalismus für wenige, die von oben bestimmt werden, oder eine Gesellschaft, die wenigstens in Grundwerten zusammenhält? Da hilft der Vergleich mit den USA am Ende begrenzt weiter, weil die USA eine andere gesellschaftliche und politische Kultur haben. Insofern ist die US-Wahl eine Warnung für Europa und ein Hinweis, dass Europa sich besser vorbereiten muss auf das, was ständig bejammert wird.