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„’Wilde Ehe’ war ein Ärgernis“

Wenn Kirchenmitarbeiter unverheiratet Kinder bekamen oder sich scheiden ließen, galt das in Mecklenburg-Vorpommern als Makel. Bischof Jeremias stößt eine Aufarbeitung an.

In den Landeskirchen Mecklenburg und Pommern wurde für kirchlich Mitarbeitende die Bilderbuchehe erwartet.
In den Landeskirchen Mecklenburg und Pommern wurde für kirchlich Mitarbeitende die Bilderbuchehe erwartet.Heike Lyding, epd

Alleinerziehend, geschieden oder unehelich zusammenlebend: Kirchliche Mitarbeitende, die aus diesen Gründen negative Erfahrungen mit der ehemaligen Landeskirche Mecklenburg oder Pommern gemacht haben, können sich am 4. September im Haus der Kirche in Güstrow über ihre Erfahrungen austauschen. Bischof Tilman Jeremias lädt sie und ihre Partnerinnen und Partner zum vertrauensvollen Gespräch ein, teilt die Bischofskanzlei in Greifswald mit.

„Verliebt, verlobt, verheiratet, Kind… der alte Abzählreim berichtet, wie man sich einmal die Standard-Biografie der Menschen vorstellte“, sagt der Bischof im Sprengel MV. „Dass es nicht immer so lief, gehört auch zur Realität, schien aber vor allem für kirchliche Dienststellen auf einem anderen Blatt zu stehen.“ Die entsprechenden Normen hätten sich inzwischen verändert oder aufgelöst. „Ohne Konflikte und Verletzungen ist es dabei aber nicht abgegangen.“

“Die Landeskirche hat darauf inadäquat reagiert”

Ein betroffenes Ehepaar hat laut Jeremias die Initiative zur Gesprächsrunde ins Rollen gebracht. „Dieses Paar hat vor Jahrzehnten unverheiratet zusammengelebt und erlebt, dass die Mecklenburgische Landeskirche darauf – vorsichtig gesagt – inadäquat reagierte.“ Das Paar fühle sich bis heute verwundet und habe den Wunsch nach Aufarbeitung geäußert. Weitere Mitarbeitende aus Pastorenschaft, Diakonie, Kirchenmusik und anderen Bereichen könnten berichten, wie sie aus ähnlichen Gründen auf einen Kollisionskurs mit dem kirchlichen Arbeitgeber kamen, vor allem mit dem Oberkirchenrat in Schwerin und dem Konsistorium in Greifswald.

Will Betroffenen Raum geben, über ihre Verletzungen von damals zu sprechen: Bischof Tilman Jeremias
Will Betroffenen Raum geben, über ihre Verletzungen von damals zu sprechen: Bischof Tilman JeremiasNordkirche

„Die ‚Ehe ohne Trauschein‘ – die sogenannte ‚Wilde Ehe‘ – , Elternschaft vor der Eheschließung oder Alleinerziehende waren den kirchlichen Dienststellen lange ein Ärgernis“, beschreibt Jeremias. „Beschweigen oder Vertuschen nach außen, aus heutiger Sicht übergriffige Kommentare oder sogar dienstliche Konsequenzen Mitarbeitenden gegenüber sind noch vor gar nicht langer Zeit üblich gewesen.“ So sei es vorgekommen, dass Pastoren etwa nach einer Scheidung gegen ihren Willen in eine andere Gemeinde versetzt wurden.

“Wir möchten Betroffenen etwas Entlastendes anbieten”

Solche Geschichten sollten erzählt werden, findet Jeremias, auch wenn sie schon lange her seien. Die Gesprächsrunde soll am 4. September von 14 bis 17 Uhr im „Haus der Kirche“ in Güstrow in einem vertrauensvollen Rahmen stattfinden. Gemeinsam mit den Teilnehmenden möchte Bischof Jeremias auch Schritte zur Bearbeitung des Erfahrenen und der damit verbundenen Probleme besprechen. Denkbar sei in der Folge auch ein Gottesdienst, in dem die Kirche bei den Betroffenen um Entschuldigung bitte. „Wir möchten gerne etwas Entlastendes anbieten.“

Für diese Veranstaltung ist eine Anmeldung in der Bischofskanzlei Greifswald erforderlich, per Mail an bischofskanzlei@bkgw.nordkirche.de oder telefonisch unter 03834 / 77185-10.