„Wikipedianer“ schreiben in Hannover für das größte Online-Lexikon

20 Jahre Wikimedia ist ein Grund zum Feiern – auch für die niedersächsischen Ehrenamtlichen. In einem Büro in Hannover arbeiten sie für das Online-Lexikon Wikipedia. Weitere Autoren werden gesucht.

Bernd Schwabe beim Wikipedia-Stand im Aufhof. Er hat mehr als 7000 lokalhistorische Artikel für Wikipedia geschrieben.
Bernd Schwabe beim Wikipedia-Stand im Aufhof. Er hat mehr als 7000 lokalhistorische Artikel für Wikipedia geschrieben.Joachim Göres

Wikipedia ist das größte Online-Lexikon, das aus Artikeln von ehrenamtlich tätigen Schreibenden besteht. Die haben Grund zum Feiern: Vor 20 Jahren wurde der Verein Wikimedia Deutschland gegründet. Die „Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens“ ist ein gemeinnütziger Verein und zählt heute mehr als 100.000 Mitglieder.

Seit zehn Jahren gibt es in Hannover eine Wikipedia-Ortsgruppe. Rund ein Dutzend Aktive treffen sich regelmäßig im Wikipedia-Büro in der Innenstadt. Es ist eines von bundesweit elf Treffpunkten von Wikipedianern. Hier, im einzigen niedersächsischen Wikipedia-Büro, können die Schreiberinnen und Schreiber auf eine Bibliothek mit 5000 Büchern zurückgreifen. Zudem dient das Büro dem Austausch – wie an diesem Dienstagabend.

Wikipedia-Eintrag zu Baudenkmälern in Hannover

Ein Mitglied präsentiert den Wikipedia-Eintrag zu Baudenkmälern in Hannover. Er besteht aus einer langen Liste mit vielen Straßenangaben und vereinzelten Fotos. „Auf dieser Seite sind bislang erst 15 Prozent der Baudenkmale aus der Südstadt und der Bult erfasst. Wie kann man das besser darstellen? Wer will das alles lesen?“, fragt er in die Runde und regt damit eine kontroverse Diskussion an.

Ein anderer Wikipedianer stellt Wikiflix vor – ein neues Filmportal, auf dem meist sehr alte Filme kostenlos zu sehen sind. Neben Wiki­flix gibt es etwa auch die Wissensdatenbank Wikidata und das Medienarchiv Wikimedia Commons.

Wikipedia-Ortsgruppe: Die meisten sind im Renten­alter

Torben Friedrich zählt mit 36 Jahren zu den jüngeren Aktiven – die meisten hier sind im Renten­alter. Friedrich hat bei Wikipedia einen Eintrag über das interaktive Museum Hi-Score geschrieben, das im Aufhof historische Spielekonsolen und Automaten zeigt, die auch zum Spielen genutzt werden können. Doch ein Wikipedia-Administrator hat den Eintrag gelöscht. „Er sieht das nur als Daddelbude an“, sagt Friedrich. Seinen Mitstreiter raten ihm, eine Liste mit den Ausstellungsstücken an den Administrator zu schicken, um ihn vom Wert der Sammlung zu überzeugen.

 

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Administratoren sind gewählte Ehrenamtliche, die auf einen fairen Umgang achten. Mitunter kann es zu Schlachten zwischen Streithähnen kommen, die Wikipedia-Texte ihrer Kontrahenten ständig verändern, weil sie anderer Meinung sind. Letztlich kann ein Administrator solche Konflikte entscheiden und Personen auch sperren.

Einträge und Fachgruppen zu Religion

Kontrovers werden Themen behandelt, um die auch sonst viel gestritten wird, etwa der Ukraine-Krieg. Konflikte um religiöse Fragen sind seltener – wobei vor einiger Zeit eine grundsätzliche Kontroverse geführt wurde: Ist es richtig, das Sterbedatum einer Person durch ein Kreuz zu kennzeichnen? Eine kleine Gruppe lehnte dies heftig ab. „Warum sollte ein christliches Symbol das Todesdatum eines Juden markieren?“, hieß es. Seitdem können Autoren selber entscheiden, ob sie bei biografischen Angaben als Sterbedatum das Kreuz verwenden oder „gestorben am“ schreiben.

Insgesamt finden sich viele Einträge zu Kirche und Religion bei Wikipedia und es gibt auch eigene Fachgruppen, in denen sich Interessierte austauschen. Der Pastor Ulrich Tietze aus Hildesheim nutzt Wikipedia gerne für einen Einstieg in spezielle theologische Fragen: „Ich bekomme so schnell einen Überblick und Hinweise auf weitere Literatur. Alleine als Quelle reicht Wikipedia aber nicht aus.“

Mit einem Stand im Aufhof, dem ehemaligen Kaufhof in Hannover, wollen die Wikipedianer mehr Frauen und junge Leute für die Mitarbeit begeistern. „Jeder kann Artikel schreiben“, ermutigt Bernd Schwabe. Er hat mehr als 7000 Artikel vor allem zu lokalhistorischen Themen verfasst.

Am Freitag, 8. März, 15-18 Uhr, können Interessierte im Wikipedia-Büro (Andreaestr. 1, 4. OG) lernen, wie Wikipedia funktioniert und selber Artikel erstellen.