Der Büro-Tyrann von gestern stolpert über die Regeln von heute. Der neue “Stromberg”-Film legt gnadenlos einige Schwächen frei. Warum man trotzdem hinschaut.
Wem in der Schadensregulierung keine Karriere gelingt, der kann es immer noch in der Politik versuchen: Mit dieser Pointe endete 2014 im Kinoepilog “Stromberg – Der Film” die Mockumentary-Serie um den untragbaren Abteilungsleiter der Versicherungsgesellschaft “Capitol”, Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst). Von seinem Duzfreund, dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, wurde Stromberg als neues Mitglied der SPD im Bundestagsgebäude empfangen.
Nach fünf vorausgegangenen Staffeln wollten Ideengeber Ralf Husmann und Regisseur Arne Feldhusen damit die im Stile einer fingierten Reportage inszenierte Büroalltagskomödie ursprünglich ruhen lassen. Eine Serie, die dem Fernsehsender ProSieben zwar nicht die erwünschte hohe Zuschauerquote gebracht hatte, sich aber allemal als ein prämierter Achtungserfolg hielt und dem Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst den Weg zu größeren Kinorollen ebnete.
Popkulturelle Spuren hingegen hinterließ “Stromberg” erst über die Erstausstrahlung hinaus, fand später Eingang in die Meme-Kultur deutschsprachiger Social-Media-Kanäle und erlebte zuletzt eine positive Umdeutung mit der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler, der sich nun fortan in Habitus und Wortwahl an der Kunstfigur messen lassen durfte.
Arg strecken und winden muss sich so elf Jahre später “Stromberg – Wieder alles wie immer”, um als sogenanntes Legacy-Sequel an die Gegenwart anschließen zu können – als eine verspätete Fortsetzung also, die den kulturellen Niederschlag, der sich seitdem um die Figur Stromberg angesammelt hat, aufgreift und weiterdenkt.
Gelingen soll das zunächst durch eine einfache Spiegelung: Aus der dokumentarischen Serie innerhalb der Serie ist ein Phänomen mit jahrelangem Nachleben geworden. Nach 20 Jahren soll ihr ein Fernsehspecial gewidmet werden, für das Bernd Stromberg mit seinen ehemaligen “Capitol”-Mitarbeitern zusammengebracht wird. Rund um die Aufzeichnung zeichnet sich gleichwohl ab, dass der ehemalige Chef im Jahr 2025 kaum noch sendefähig ist.
Einst ikonisch gewordene Sprüche wie “Probleme sind wie Brüste – wenn man sie anfasst, machen sie am meisten Spaß” möchte alsbald nicht nur die Produktionsleiterin (Sophia Burtscher) nicht mehr ausstrahlen. Und auch vor dem Studio entzündet sich eine gewalttätige eskalierende Auseinandersetzung zwischen Aktivisten (“Nehmt die Glatze aus der Glotze”) und uniformierten Fanboys, die den Look (grauer Trenchcoat und vom Klobrillenbart konterkarierte Halbglatze) und die Lebensweisheiten (“Kollegen sind wie Pickel, die hat man auch, ob man will oder nicht”) ihres Idols verinnerlicht haben.
Nur allzu offensichtlich wollen Husmann und Feldhusen so Stromberg als eine deutsche Variation von Todd Phillips’ “Joker” inszenieren. Eine Ausdeutung des sozial inakzeptablen Hanswursts als tragische Figur also, an der die gesellschaftlichen Widersprüche und Reibungen der Gegenwart sichtbar werden sollen. Diskussionen um Wokeness etwa, alte weiße Männer oder MeToo.
Eine Arbeitswelt, die von solchen ihm unliebsamen Debatten durchwirkt ist, hält für Bernd Stromberg nur noch Demütigungen bereit: Während er vor seinen früheren Angestellten in einem Imagefilm vorgibt, in einem neuen Unternehmen eine leitende Führungsrolle übernommen zu haben, besteht seine tatsächliche Funktion im Betrieb darin, Schulungsmaterial für mentale Gesundheit (“Lernt von Bernd”) zu produzieren.
Damit reiht sich diese neu akzentuierte Lesart der Stromberg-Figur nahtlos ein in die Porträts selbstmitleidiger älterer Männer, die sich vom Zeitgeist abgehängt wähnen, für die Christoph Maria Herbst im Kino mittlerweile bekannt ist – man denke an den wegen unziemlichen Benehmens suspendierten Literaturprofessor in “Der Vorname” (samt seinen Fortsetzungen), an den ausrangierten Lieferanten eines von der Übernahme bedrohten Buchladens in “Der Buchspazierer” oder den um seine Erbschaft gebrachten Immobilienbetrüger in “Ganzer halber Bruder”.
Sein Schauspiel ist stets geprägt von einem Hang zur überdeutlichen Manier, einer genüsslichen Leistungspräsentation, durch die Herbst längst einer der wiedererkennbarsten und dadurch buchbarsten Darsteller im deutschsprachigen Komödienkino der letzten Jahre geworden ist. Den Gesten und der Mimik des älter gewordenen Strombergs verleiht er dabei eine gedrechselte Komplexität, die womöglich einer eingehenderen Abhandlung würdig wäre: Mit heiser keuchendem Kunstlachen und zu Singsang verschleppten Endsilben, unterstreichend hochschnellendem Zeigefinger und indigniert gerunzelter Stirn arbeitet er penibel den ansonsten arg schematisch abgespulten Sprücheklopfereien seiner Figur zu.
Flankiert wird dieser Auftritt durch die vermeintlich selbstironische Aufnahme der im Vorfeld zum Kinostart lancierten Werbepartnerschaften, etwa mit einer Fast-Food-Kette oder einer Knabbergebäck-Firma, in den Film selbst. Dagegen verblassen zwangsläufig alle anderen, von Fans liebgewonnenen Figuren der Serie, seien es der einst von Depressionen geschüttelte Berthold Heisterkamp (Bjarne Mädel), der zum Life-Coach und Buchautor avanciert ist, oder Strombergs ehemalige Lebensgefährtin Jennifer Schirrmann (Milena Dreißig), die eine Beziehung mit einem unsympathischen Content-Creator (Laszlo Branko Breiding) führt. Wie ähnlich gelagerte deutschsprachige Diskurskomödien der letzten Jahre löst der Film zuletzt jegliche Reibung in der versöhnlerischen Geste auf: Für Stromberg ist am Ende nicht nur wieder alles wie immer, sondern auch auf Anfang gedreht. Die Basis für weitere Serienstaffeln ist somit bereitet.