„Wie früher als Pfarrer beim Hausbesuch“

Bischof a.D. Markus Dröge ist als ehrenamtlicher Impfhelfer bei der Johanniter-Unfall-Hilfe tätig

Herr?Dröge, wie kamen Sie dazu, ehrenamtlich als Impfhelfer für die Johanniter-Unfall-Hilfe zu arbeiten?

Als ich kurz vor Weihnachten gehört habe, dass Impfzentren in Berlin aufgebaut werden, und dass Helferinnen und Helfer gebraucht werden, habe ich beim Landesvorstand der Johanniter-Unfall-Hilfe nachgefragt, ob auch 66-jährige Pensionäre gebraucht werden. Dann gab es Online-Schulungen und eine eintägige Einführung vor Ort im Velodrom. „Impfen ist Liebe!“ – An einem Auto habe ich diesen wunderbaren Aufkleber gesehen. Und das stimmt. Wir müssen es in unserer Stadt und unserem Land schaffen, so zügig wie möglich mit dem Impfen voranzukommen. Bürgerschaftliches Engagement gehört dazu!

Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen? Was sind Ihre Aufgaben?

Es gibt verschiedene Aufgaben: „Empfang“ der Gäste, die im Taxi kommen. „Mobility“, das heißt Menschen im Rollstuhl durch den Impf-Parcours begleiten. „Anmeldung“, also am Computer die Daten aufnehmen. Und „Dokumentation“, das bedeutet, mit Tablet nach der Impfung Dokumente abfotografieren und zusätzliche Daten, wie die Impfstoff-Charge, eingeben. 

Wie begegnen Ihnen die Menschen, die Sie begleiten? 

Fast ausnahmslos sind die Menschen sehr angetan von den freundlichen Helferinnen und Helfern und der guten Organisation. Viele sagen: „Es wird immer nur gemeckert. Aber was unser Staat hier für uns tut, ist doch toll!“ Die Helferinnen und Helfer sind meist jüngere Leute, die die Arbeit als Job machen, zum Beispiel als Studierende. Sonst gibt es ja zurzeit nicht viele Jobs für Studierende. Und für viele, die zum Impfen kommen, ist es ein richtiges soziales Ereignis. Manche älteren Damen gehen extra vorher zum Frisör, weil die Freundin erzählt hat, wie nett es im Impfzentrum ist. Und so ist es: Vom Öffnen der Taxi-Tür bis zur Platzanweisung im Ruheraum werden die Gäste sehr freundlich und wertschätzend begleitet. 

Die besten Gespräche hat man natürlich im Mobility-Dienst beim Rollstuhlschieben. Da frage ich, wo der Gast herkommt, was er oder sie beruflich gemacht hat. Da ich im Velodrom vielfach ältere Menschen aus dem Osten Berlins treffe, erfahre ich viel über das ganz normale Leben in der DDR. Lebensläufe erzählt zu bekommen, hat mich immer schon sehr interessiert. 

Werden Sie manchmal auch erkannt? Wie reagieren die Menschen, wenn sie plötzlich von einem Bischof durch den Impfprozess begleitet werden?

Pro Sechs-Stunden-Schicht werde ich nur ungefähr ein bis zweimal erkannt. Das liegt erstens daran, dass die Klientel im Velodrom nicht gerade kirchennah ist. Und zum anderen tragen wir ja die Masken. Eine Dame hat mich an der „charakteristischen Brille“ erkannt, wie sie sagte, und sich sehr gefreut. Ich finde es gut, dass ich meist nicht erkannt werde. Auf diese Weise kann ich ganz unbefangen Gespräche mit Menschen führen, denen ich im Bischofsamt nie begegnet bin. Ich fühle mich wieder wie früher als Pfarrer beim Hausbesuch bei Senioren. Und das macht mir viel Freude. 

Wie geht es Ihnen persönlich in der Corona-Krise?

Gott sei Dank bin ich bisher ganz gesund geblieben. Auch meiner Familie geht es gut. Kinder und Enkel sind allerdings ziemlich belastet, etwa wenn der Kindergarten ausfällt. Auch das viele Arbeiten zu Hause am Bildschirm ist auf Dauer ermüdend. Jetzt spüre ich so intensiv wie nie, dass wir Menschen von Gott als soziale Wesen gedacht sind. Gerade deswegen ist die gute Stimmung in der Dienstgemeinschaft im Velodrom für mich so anregend. Da wird nicht gesiezt. Da bin ich einfach der „Markus“, der heute Mobility macht. 

Die Fragen stellte Friederike Höhn.