Wie Filme und Serien das Rauchen weiterhin verklären

Der rauchende Kommissar, die coole Serienheldin mit Zigarette – halb so schlimm? Forscherinnen und Forscher warnen vor einem fatalen Einfluss, den Medien trotz gesellschaftlichem Wandel haben.

Es gibt eine Szene im Ludwigshafener Tatort „Leonessa“, der im Juli 2023 ausgestrahlt wurde, da betritt Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal eine Kneipe. An der Bar sitzt ein junges Mädchen, die kurz darauf das Lokal verlässt, und die Kommissarin fragt die Kneipenwirtin, ob denn eine Raucherkneipe ein geeigneter Ort für ein junges Mädchen sei. Dass es sich um eine solche handelt, wird durch zwei Einblendungen offensichtlich, die Personen zeigen, die rauchen. Die Frau hinter der Theke antwortet, es sei besser, die jungen Leute würden hier eine Kleinigkeit trinken, „als draußen rumzuhängen und sich irgendwelche Drogen reinzuziehen“.

Rauchen ist in Kino- und Fernsehfilmen weit verbreitet. Die Initiative Rauchfreie Filme zählt seit vielen Jahren die Rauchszenen im deutschen Fernsehen und Kino. Danach sind nur 24 Prozent der Folgen aus der ARD-Reihe „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ rauchfrei. Mal raucht der Bösewicht, mal ist es der Kommissar selbst.

Doch nicht nur im Kultkrimi sind Zigaretten oder E-Zigaretten immer wieder genutzte Requisiten. Die Aktionsbündnis Nichtrauchen hat sich die für den Lola, den Deutschen Filmpreis, nominierten Filme zwischen 2016 bis 2023 angesehen und die Rauchszenen erfasst. Ergebnis: In 143 der 170 untersuchten Filme gab es Rauchszenen. Geraucht wurde dabei unabhängig von der Altersbeschränkung: So waren 34 der Filme für Kinder ab null Jahren freigeben, in 24 davon rauchten Personen.

Das ist fatal, wie Forscher warnen. Rauchen ist laut Deutschem Krebsforschungszentrum in Heidelberg der wichtigste Krebsrisikofaktor; 20 Prozent aller Krebs-Neuerkrankungen im Jahr gehen auf das Rauchen zurück. Ausschlaggebend, ob jemandem mit dem Rauchen beginnt, ist das Umfeld. „Ein entscheidender Faktor ist die Peergroup, also der Freundeskreis. Auch wenn Eltern rauchen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit“, betont Katrin Schaller, die am Krebsforschungszentrum die Stabsstelle Krebsprävention sowie das WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle leitet.

Zwar gilt – nach jahrelangen Verzögerungen – in Deutschland ein weitgehendes Werbeverbot für Tabakprodukte und E-Zigaretten. Beeinflussung findet trotzdem statt. Zum Beispiel am Verkaufsort, wo Werbung nach wie vor erlaubt ist, oder über die sozialen Medien, ein Graubereich, der sich nur schwer kontrollieren lässt. „Oft ist es kaum oder gar nicht zu erkennen, ob eine Privatperson ein Bild postet oder ob das ein Influencer ist, der für die E-Zigarette in seiner Hand bezahlt wird“, sagt Schaller.

Daneben spielen klassische Medien wie Fernseh- oder Kinofilme eine große Rolle. Gequalmt wird dort nämlich weiterhin, und das Risiko, dass sich junge Zuschauerinnen und Zuschauer davon animieren lassen, ist groß. „Wir haben durch Studien belegt, dass sich die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen zu beginnen, erhöht, wenn Jugendliche viele Filme mit Rauchszenen gesehen haben“, erklärt Reiner Hanewinkel vom gemeinnützigen Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) in Kiel.

Bereits vor vielen Jahren hat der Forscher gemeinsam mit amerikanischen Wissenschaftlern den Zusammenhang von rauchenden Rollenbildern in Filmen und dem späteren Rauchverhalten untersucht. Das Risiko verdoppelt sich demnach, und das unabhängig von sozialen Faktoren oder der Persönlichkeit. „Rauchszenen vermitteln den Eindruck, dass es normal ist zu rauchen, es gehört dazu.“

Zudem können solche Filme wie ein Trigger wirken. „Wer versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, kann durch Hinweisreize dazu animiert werden, sich selbst wieder eine Zigarette anzustecken“, betont Hanewinkel. Zu den Hinweisreizen zählten nicht nur aktives Rauchen oder Hantieren mit Tabakprodukten, sondern auch Aschenbecher oder Feueranzünder.

Deutschlands Filmschaffende halten Rauchszenen indes für unverzichtbar. „Rauchen kann in bestimmten Fällen ein wichtiges dramaturgisches Mittel der Figurencharakteristik sein“, erklärt etwa die ARD-Programmdirektion – und betont zugleich, dass die Szenen so gestaltet seien, dass sie Kinder und Jugendliche nicht zur Nachahmung anregten oder Tabakkonsum als positiv dargestellt werde. Mit Blick auf den „Tatort“ argumentieren Rundfunkanstalten der Länder, dass die Krimiserie die Gesellschaft abbilde – „zu dieser gehören Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben, unterschiedlichen Gewohnheiten, unterschiedlichen Lastern“.

Ein Laster, das jedes Jahr fast 127.000 Menschen das Leben kostet. Wer einmal mit dem Rauchen angefangen hat, kommt schwer davon los. Gerade junge Menschen unterschätzen die Gefahr einer Abhängigkeit. „Jugendliche leben in dem Glauben, sie könnten einfach aufhören“, sagt Katrin Schaller. Ein Irrtum.

Wie gut das Lobbying in der Politik funktioniert, zeigt derweil der neue Tabaklobby-Index, erstellt vom Krebsforschungszentrum und mitgezeichnet von mehreren Organisationen wie der Deutschen Herzstiftung und dem Kinderhilfswerk. Danach ist das Ausmaß der Interaktionen zwischen politischen Entscheidungsträgern sowie Staatsbediensteten und der Tabakindustrie „alarmierend“.

Die Zielgruppen reichten von der Referatsebene bis hin zum Bundespräsidenten. Der kooperiere beispielsweise bei einem Geschichtswettbewerb mit der Körber-Stiftung. Die wiederum ist alleinige Eigentümerin der Körber AG, die weltweit führend im Segment der Zigarettenherstellungsmaschinen ist. „Wir sind Treiber und Innovator der Tabakbranche“, wirbt das Unternehmen. Insgesamt beziffert der Tabaklobby-Index die Höhe von Sponsoring und Spenden auf sechs Millionen Euro im Jahr, die Zahl der Lobbyistinnen und Lobbyisten auf „mindestens 90“.

Was im Übrigen den Ludwigshafener Tatort angeht, erklärt Ulrich Herrmann, Redaktionsleiter Tatort beim SWR, sich „nach Kräften“ zu bemühen, Rauchszenen zu vermeiden – wie überhaupt alles vermieden würde, was einen unguten Einfluss auf das Publikum haben könnte. Aber schließlich gebe es in jedem Krimi auch Tote. „So bedauern wir, in unseren Tatorten an den Anfang einen Mord stellen zu müssen. Lieber würden wir ihn ohne erzählen, aber wie?“