Wie Familienplanung im westafrikanischen Benin funktioniert

Familienplanung und Verhütung galten im westafrikanischen Benin lange als Tabu. Dagegen kämpfen Nichtregierungsorganisationen und medizinisches Personal.

Auf einem Hinterhof in Parakou, der größten Stadt im Norden Benins mit mehr als einer Viertelmillion Einwohnern: Hier spielen die Zwillinge Mohammed und Ousmane im Sand. Vater Hazinou Idrissou sitzt auf einer Holzbank im Schatten und beobachtet seine Söhne. Sie sollen später zur Schule gehen und eine gute Arbeit finden, wünscht er sich. Ein Leben ohne Kinder kann er sich nicht vorstellen: “Wenn man der Welt keine Nachfahren hinterlässt, ist man doch bloß wie der Wind oder ein Blatt. Es bleibt keine Spur zurück.”

Kinder seien die Zeugnisse für die Nachwelt, findet der gläubige Muslim Idrissou. Wie viele es werden, das hat er nicht zu bestimmen. “Gott entscheidet. Man kann sich wünschen, ein Kind zu bekommen. Im selben Moment ist die Frau mit dem zweiten schwanger.” Passend dazu haben seine Frau Memounatou Sidi und er auch den Namen für den dritten Sohn ausgewählt: Ihsaan; das bedeutet “die gute Nachricht”. Der Kleine sitzt neben seiner Mutter auf dem Boden, die das Abendessen auf einer offenen Feuerstelle kocht. Familienplanung, macht Hazinou Idrissou deutlich, lehnt er ab.

Doch die gewinnt in Benin zunehmend an Bedeutung. Grund ist der starke Bevölkerungsanstieg. In dem westafrikanischen Land leben rund 14,5 Millionen Menschen. Im Vergleich zu Afrikas Riesenstaat Nigeria, an den Benin grenzt, ist die Zahl noch gering. Dort sind es mehr als 230 Millionen. Allerdings wächst in Benin die Bevölkerung jährlich um knapp 3,3 Prozent – das ist Platz vier weltweit. Jede Frau bringt im Schnitt knapp fünf Kinder zur Welt; 1984 waren es noch mehr als sieben.

Das Problem ist: Die Infrastruktur wächst nicht mit. Staaten südlich der Sahara schaffen es nicht einmal annähernd, Schulen, Straßen und Gesundheitseinrichtungen zu bauen. In Ballungsräumen wird Wohnraum knapp. Auch drängen jedes Jahr mehr junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. In manchen Regionen, etwa im Sahel, macht Perspektivlosigkeit sie auch anfällig für Lockangebote islamistischer Gruppen.

Für Familienplanung kämpft die Hebamme Lahanatou Bio Mama seit 1995. Heute leitet sie in Parakou die Klinik “Beau Bebe”, eine Mischung aus Kinderarzt- und gynäkologischer Praxis. Eine Familie gut zu planen, das hat für die 63-Jährige vor allem einen Grund: “Es geht um die Gesundheit von Kind und Mutter.” So lasse sich die Todesrate von Frauen im gebärfähigen Alter reduzieren.

Dass jedoch zu vermitteln, ist mühsam und aufwendig. Familienplanung und Sexualität galten lange als Tabu. Lahanatou Bio Mama hat vor allem auf dem Land viel Widerstand erlebt; von Imamen, aus Kirchen und auch von traditionellen Meinungsführern. Denn wenn sie über Familienplanung spricht, nennt sie auch die verschiedenen Verhütungsmethoden, über die es bis heute Vorurteile gibt. “Es wurde erzählt, dass Frauen durch die Anti-Baby-Pille unfruchtbar werden”, sagt Lahanatou Bio Mama. Viele Männer unterstellten Frauen außerdem, dass sie untreu werden, sobald sie verhüten. Eine Vaterschaft lasse sich nicht mehr eindeutig klären.

Dabei hat Benin bereits 2003 ein Gesetz verabschiedet, in dem es heißt: Jeder hat das Recht, eine passende Verhütungsmethode zu wählen. Schon damals war das Ziel, den Zugang zu verbessern. In der Klinik “Beau Bebe” entscheiden sich heute viele Frauen für eine Dreimonatsspritze, die umgerechnet 1,50 Euro kostet. Doch nicht alle kommen regelmäßig zur Auffrischung. Lahanatou Bio Mama erlebt, dass sich Familien selbst diese scheinbar geringe Summe nicht immer leisten können. Sie fordert deshalb, dass die Beratung zur Familienplanung und die verschiedenen Methoden endlich kostenfrei werden müssten.

Ouzeratou Saka strahlt, wenn sie ihre beiden Kinder sieht. Sohn Joachim ist knapp fünf Jahre alt; Tochter Regina feiert bald ihren ersten Geburtstag. Es ist Samstagnachmittag in Parakou, und die beiden spielen mit zwei Cousinen, die zu Besuch sind. “Mutter zu werden, das war für mich immer ein Traum”, sagt Ouzeratou Saka. Sie hätte gerne noch zwei weitere Kinder, mehr aber nicht. “Ein Kind großzuziehen, das ist heute nicht einfach. Man braucht genügend Geld.” Vor allem machen sich Eltern Sorgen um die Ausbildung. Der Besuch von staatlichen Schulen ist zwar kostenfrei. Wer kann, leistet sich jedoch eine Privatschule, um Kindern bessere Bildungschancen zu ermöglichen.

Für Ouzeratou Saka und ihren Mann, Julien Tonwarigui, war deshalb stets klar: Sie wollen ihre Familie planen. Die 26-Jährige gibt zwar zu: “Anfangs hatte ich etwas Angst. Es wird viel geredet.” Im Krankenhaus hat sie sich allerdings gut beraten gefühlt. Das erzählt sie auch gerne ihren Freundinnen. “Für mich ist Familienplanung kein Tabu mehr. Ich finde es wichtig, darüber zu sprechen.”