Wie Erzieherinnen aus Kolumbien deutsche Kita-Teams verstärken

Zu wenig Personal in Kitas: Wie in der Altenpflege setzen einige Träger inzwischen auf Fachkräfte aus dem Ausland. Mitunter läuft dann der kulturelle Austausch in beide Richtungen.

Über 9.000 Kilometer liegen zwischen Bad Vilbel und dem Heimatland von Maria Alejandra Perez Villalba. Winter, Frühling und Frühsommer hat sie in der kleinen Stadt bei Frankfurt bisher erlebt. Sie weiß, was Windel, Bauklotz, Morgenkreis und Freispiel bedeuten. Und vor allem hat sie viel Freude an ihrer neuen Arbeit mit den Kindern, wie sie sagt.

Seit Februar sind Maria Alejandra Perez Villalba und drei weitere kolumbianische Frauen in Bad Vilbel, sie arbeiten in den beiden Kindertagesstätten der evangelischen Christuskirchengemeinde. Bei ihrer Arbeit fühlt Villalba sich schon ein wenig zuhause: “Am Anfang fand ich es schwierig. Mein Deutsch hat sich aber inzwischen verbessert, die Kinder haben viel Geduld”, sagt sie schmunzelnd.

Was ihr außerdem hilft: “Unsere Kita ist sehr international. Viele Eltern haben selbst einen Migrationshintergrund und darum auch erlebt, dass sie nicht gleich verstanden werden.” Spannend sei es für die Kinder, nun eine Erzieherin aus Kolumbien zu haben. Einige von ihnen interessierten sich auch für Perez Villalbas Muttersprache: “Sie fragen mich ‘Was heißt Stuhl auf Spanisch? Was heißt Hose?'” Die Erzieherin freut sich, dass der kulturelle Austausch in beide Richtungen läuft.

Sprache – der Schlüssel zu allem. Bereits während ihres Bewerbungsverfahrensabsolvierten sie und die anderen drei Erzieherinnen einen Deutschkurs “mit einer anspruchsvollen Prüfung”, wie Uta Rasche vom Personaldienstleister “Talent Orange” sagt. Die Agentur hat der Kirchengemeinde geholfen, die Erzieherinnen zu finden.

“Unsere Agentur rekrutiert seit vier Jahren Erzieherinnen aus dem Ausland, Pflegekräfte schon länger.” Die Nachfrage nach pädagogischen Berufen steige. In diesem Fall mussten die Erzieherinnen ein mehrstufiges Auswahlverfahren schaffen. “Wir suchen Menschen, die mit dieser großen Umstellung zurecht kommen”, sagt Rasche. “Sie müssen Lust haben auf neue Kulturen und neue Wege. Es ist keine Kleinigkeit, in einer anderen Kultur Fuß zu fassen.”

Gerade im Bereich Bildung gibt es Unterschiede zwischen dem südamerikanischen Land und Deutschland, findet auch Perez Villalba: “In Kolumbien gehen die Kinder früher zur Vorschule, dort gibt es einen Lehrplan. Sie lernen dort bereits Zahlen und Buchstaben. In Deutschland können die gleichaltrigen Kinder den ganzen Tag noch spielen.” Trotzdem, so beobachtet es die Kolumbianerin, würden die Kinder hierzulande individueller gefördert und seien selbstständiger, etwa beim Schuhebinden. “Das finde ich gut”, meint Perez Villalba. Auch die Ausstattung der Kita Dreiklang habe sie beeindruckt: “Hier gibt es viel zum Basteln. Alles, was Kinder brauchen.”

Pfarrer Klaus Neumeier ist froh über die Verstärkung für “seine Kitas” in der Wetterau. Denn den Personalmangel spürt er dort schon eine ganze Weile. “Da der Bereich der U3-Arbeit ausgeweitet wurde, haben wir heute in deutschen Kitas doppelt so viel Bedarf an Personal wie noch vor ein paar Jahren.” Der größte Faktor sei jedoch der demografische Wandel. Nicht einmal mit allen theoretisch verfügbaren Arbeitskräften könnte man dem Erziehermangel innerhalb Deutschlands wirklich gerecht werden, ist Neumeier überzeugt.

Was ihn ärgert, sind die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. “Bei den Formalitäten ist für die Erleichterung des Arbeitskräfte-Zuzugs definitiv noch Luft nach oben”, sieht Neumeier die Politik in der Bringschuld. Denn die vier kolumbianischen Erzieherinnen haben nicht nur eine fertige Ausbildung, sondern auch einen Bachelor-Abschluss in frühkindlicher Pädagogik aus ihrer Heimat mitgebracht. Die Abschlüsse werden jedoch nicht anerkannt. “Diese Frauen haben so viel Praxiserfahrung – und dann müssen sie hier nochmal ein Anerkennungsjahr machen”, sagt Neumeier. “Warum kann so etwas von Deutschland nicht bereits formal anerkannt werden, während jemand noch in seinem Heimatland in der Vorbereitungsphase für die Reise nach Deutschland ist?”

Für die Einrichtungen mache die derzeitige Regelung alles komplizierter, die neuen Fachkräfte seien grundlos finanziell zunächst schlechter gestellt. Neumeier hat sich bereits an die hessischen Ministerien gewandt, bisher ohne Erfolg. Er will sich weiter für das Thema stark machen.

Maria Alejandra Perez Villalba hat ein fünfjähriges Studium absolviert und drei Jahre in einer kolumbianischen Kita gearbeitet, bevor sie sich entschied, nach Deutschland zu gehen. Sie hatte von dem Personalmangel hierzulande gehört, wollte helfen, “eine Lücke zu schießen.” In Kolumbien, sagt sie, sei es genau umgekehrt.

Dort gebe es ein Überangebot an Erzieherinnen und weniger Jobs. Wenn Anfang 2025 das Anerkennungsjahr geschafft ist, werden ihre Dokumente anerkannt und sie erhält das volle Gehalt. Bis dahin wird sie Stück für Stück die Welt der deutschen Kitas besser kennenlernen: “Ich finde es gut zu sehen, dass man auch einen tollen Beruf haben kann, wenn man nicht gleich perfekt Deutsch spricht.”