Wie die braunschweigische Landeskirche Missbrauch aufarbeitet

Die Forum-Studie hat der evangelischen Kirche drastisch vor Augen geführt, wie groß ihr Nachholbedarf bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist. Auch der braunschweigischen Landeskirche.

Die EKD-Ratsvorsitzende und Bischöfin Kirsten Fehrs mit Forschenden und Betroffenen bei der Vorstellung der Studie.
Die EKD-Ratsvorsitzende und Bischöfin Kirsten Fehrs mit Forschenden und Betroffenen bei der Vorstellung der Studie.Jens Schulze

Die Missbrauchsstudie hat für ein böses Erwachen innerhalb der evangelischen Kirche gesorgt. „Jetzt steht uns das Ausmaß sexualisierter Gewalt vor Augen“, sagte der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns zu den Ergebnissen der unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchung, die in der vergangenen Woche in Hannover vorgestellt wurde. Niemand könne jetzt noch behaupten, dass es sich in der evangelischen Kirche um Einzelfälle handele.

Gleichzeitig äußerte Meyns sein tiefes Mitgefühl für die Betroffenen. Jahrzehntelang sei ihr Leid von den Verantwortlichen in der evangelischen Kirche nicht ernst genommen worden. „Wir haben entsprechende Taten nicht hinreichend bearbeitet und Menschen vor Übergriffen nicht ausreichend geschützt“, sagte Meyns. In den wenigen Fällen, denen die Landeskirche Braunschweig bisher nachgehen musste, sei jedoch „durchgegriffen“ worden.

Regionale Aufarbeitungskommission für Niedersachsen 2025 geplant

Durch die Studie hätten sich allerdings viele Befürchtungen bestätigt. „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß, welche Risikofaktoren sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche begünstigen“, sagte Meyns. Laut Studie sind das die Unvorstellbarkeit von Gewalt in der Kirche, ein Harmoniezwang und ein Schuld- und Vergebungskomplex sowie die Verantwortungs­delegation. 15 Fälle hat die Landeskirche Braunschweig nach der Durchsicht von rund 2500 Disziplinar- und Personalakten an die Forschenden gemeldet.

In den vergangenen Jahren habe sich die braunschweigische Landeskirche um Verbesserungen bei der Prävention und Aufarbeitung bemüht, sagte Meyns. So gebe es seit knapp einem Jahr eine Fachstelle, an die sich Betroffene und kirchliche Akteure wenden können. Im Jahr 2022 habe die Landeskirche ein Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt verabschiedet. Als weiterer Schritt sei im kommenden Jahr eine regionale Aufarbeitungskommission für Niedersachsen geplant.

Viel Nachholbedarf bei der individuellen Aufarbeitung

Über die einzelnen Konsequenzen der Studie müsse nun allerdings zunächst das Beteiligungsforum der evangelischen Kirche auf seinem nächsten Treffen im Februar beraten, so Meyns, der selbst Mitglied in diesem Gremium ist. Die Verbesserung der individuellen Aufarbeitung bleibe jedoch eine Daueraufgabe, zu der auch die Ergebnisse der Studie beitragen würden. „Da haben wir viel Nachholbedarf“, sagte der Landesbischof. So müsse theologisch gearbeitet werden, betonte er. Es gehe um ein besseres Verständnis von Gesetz und Evangelium. „Wir müssen uns auch mit Machtfragen auseinandersetzen und mit unserem Verständnis von Nähe und Distanz.“ Dazu solle es weitere Schulungen für Mitarbeitende geben. Auch die Durchsicht der Akten von Kirchenmusikern und Diakonen stehe auf der Agenda der Landeskirche.