Wie Brandenburger Kirchen den Valentinstag feiern

Was hat eigentlich der Valentinstag, an dem sich Liebende Blumen schenken, mit der evangelischen Kirche zu tun? Unser Autor hat sich in Brandenburger Kirchengemeinden umgehört.

Grafik Herzchenwiese
Grafik HerzchenwieseGerd Altmann

Den Valentinstag verbinden wohl nur wenige direkt mit der evangelischen Kirche. Es sind vor allem Werbetafeln und -prospekte, die mit roten Herzen, Blumen und Pralinenpackungen daran erinnern, unsere Liebsten am 14. Februar zu beschenken. Dieses Datum geht auf einen christlichen Heiligen aus dem 3. Jahrhundert zurück. Den Legenden nach soll damals ein Bischof namens Valentin Liebenspaare unerlaubt nach christlichem Ritual getraut haben. Da das Christentum bis ins 4. Jahrhundert im Römischen Reich eine verfolgte Minderheit war, wurde Valentin dafür am 14. Februar 269 hingerichtet.

Segensgottesdienst in Neuruppin

Ob es sich dabei um Valentin von Rom oder Valentin von Terni handelte, bleibt ungewiss. Womöglich stehen beide Namen für ein und dieselbe Person, deren Todestag seit dem 7. Jahrhundert als Tag des Heiligen Valentin begangen wurde, bis er 1969 wieder aus dem römischen Generalkalender entfernt worden ist. Es ist darum nicht verwunderlich, dass der Valentinstag, trotz des Namensursprungs, kaum kirchlich assoziiert wird. Überraschend ist hingegen, dass evangelische Kirchen in Brandenburg heute Gottesdienste und weitere Angebote zum Valentinstag organisieren.

In Neuruppin lädt Pfarrer Thomas Klemm-Wollny schon seit einigen Jahren zum Segensgottesdienst für Liebende ein. Am Heiligen Valentin begeistert ihn, dass er allen Widrigkeiten zum Trotz ganz bewusst Paare gesegnet und in die Gemeinschaft Gottes hineingenommen hat. „Darum geht es mir auch beim Valentinstag“, sagt Klemm-Wollny, „sich zu vergewissern, dass das Miteinander leben und lieben auch unter Gottes Segen steht.“

In der Kirchengemeinde Neuruppin werden dafür alle neu Verheirateten eingeladen sowie vor allem Paare, die einem langjährigen Ehejubiläum entgegengehen. Aber auch alle anderen frisch und lang verliebten Menschen sind willkommen, selbst wenn sie etwa aus gesundheitlichen Gründen nur allein kommen können. Sie erhalten am Valentinstag in Neuruppin das Angebot einer individuellen Segnung. Gerade bei Paaren, die ihr Leben seit vielen Jahren mit allen Höhen und Tiefen in Liebe gestalten, erlebt Thomas Klemm-Wollny diese Segnung als sehr emotional und bereichernd. Es sei schön, sagt er, „zu sehen, wie Liebe ein Leben lang tragen kann, welche Kraft in dieser Liebe, die miteinander verbindet, steckt.“ Schließlich, so Klemm-Wollny, sei Liebe auch etwas, das gefährdet ist, worum im Alltag gerungen werden muss und das auch im Miteinander in Frage gestellt wird. „Und auch das soll ja einen Raum haben.“

Als einen Gegenentwurf zur Kommerzialisierung des Valentinstags will Klemm-Wollny den Segensgottesdienst für Liebende jedoch nicht verstehen. „Ich will ja hoffen und glauben, dass hinter den verschenkten Rosen auch wirklich eine Anerkennung, eine Wertschätzung für meinen Partner, für meine Partnerin steckt“, sagt er. „Aber ich möchte dem Konsum eben auch noch was daneben stellen und den Valentinstag nicht nur der Blumenindustrie überlassen. Ich glaube, dafür ist die Liebe zu wertvoll.“ Der christliche Liebesbegriff umfasst weit mehr als die romantische Paarbeziehung, die hierzulande am Valentinstag im Mittelpunkt zu stehen scheint. Liebe mag ebenso Geschwister oder Freundschaften verbinden und auch die Liebe für das Leben selbst kann Menschen durch ihren Alltag tragen.

Valentinstag auf öffentlichen Plätzen in Nauen und Rathenow

Pfarrerin Kata Scherer vom Kirchenkreis Nauen-Rathenow beschreibt die Liebe als etwas nicht Greifbares: „Da ist immer noch ein Plus an Besonderem“, sagt sie, „was diesen Zauber ausmacht, der den Valentinstag für viele anschluss -fähig macht. Und diesen Zauber, ohne die Enge, würden wir gerne deutlich machen.“

Dafür gehen Kata Scherer und ihre Kollegin Magda Gäbel am Valentinstag unter dem Motto „Woran Dein Herz hängt“ in Nauen und Rathenow auf öffentliche Plätze, um dort unerwartet Gespräch und Segen anzubieten. Die Pfarrerinnen wollen Kirche da sichtbar und zugänglich machen, wo die Menschen sind und aufgreifen, was diese am Tag der Liebe bewegt. Dabei würdigen sie aus christlicher Perspektive vor allem, dass Liebe viele Gesichter hat, egal welchem Geschlecht oder welcher Sache sie gilt, oder in welcher Phase ihrer Liebe sich Menschen befinden. Auch auf dem Prozesshaften, der Entwicklung, darf Segen liegen, erklärt Kata Scherer: „Sei es die unerwiderte Liebe, oder Liebe, die sich verändert über das Gemeinsam-Altwerden.“

Der Segen für die Liebenden steht im Fokus

Auch bei den Valentins-Angeboten in Nauen und Rathenow steht der Segen im Mittelpunkt. Ein entsprechendes Bedürfnis nimmt Magda Gäbel durchaus bei den Menschen wahr, die die persönliche Segnung oft als „schönes Gefühl“ empfinden, bei dem etwas passiere, das gar nicht in ihrer Hand liege. „Das ist halt der Moment und die Zeit, die man sich nimmt“, erklärt Gäbel.

Als weiteren Aspekt der Segenshandlung betont Kata Scherer die Kraft der dabei vereinbarten Berührung im öffentlichen Raum: „Wenn mir jemand zum Segen die Hände auf den Kopf auflegt und ich vorher die Person frage: Ist das ok, möchtest du das? Dann kann das Berührung sein, die gut tut, die ohne Übergriffigkeit passieren kann. Und das, finde ich, ist ein großes Gut, was wir haben und womit wir vorsichtig, aber bestimmt umgehen sollten.“

Was Menschen dazu bewegt, sich und ihre Liebe am Valentinstag segnen zu lassen, erklärt Pfarrerin Johanna Friese vom Segensbüro Berlin damit, dass diese sich im Moment der Segnung angesehen fühlen. Dabei biete ihnen der Segen eine Dimension, die sich Menschen nicht selbst geben können. Das habe auch aus ihrer Sicht viel mit der Kraft des Rituals selbst zu tun: „Wenn ich die Hände halte, wenn ich auch manchmal ein bisschen Last abnehme, indem ich einfach sage: Ich kann das tragen jetzt in dem Moment“, erläutert Friese, „dann passiert da auch was Zwischenmenschliches.“ Und manchmal merke sie dann schon, dass die Menschen anders weggehen als sie gekommen sind. Dafür können Kirchengemeinden Zeit und Raum anbieten, auch am Valentinstag. „Wo Menschen zusammen sind, wo Gemeinschaft gelebt wird“, sagt Johanna Friese, „da haben auch Liebende ihren Platz.“

Daniel Vorpahl ist Religionswissenschaftler an der Universität Potsdam und als Autor unter anderem für die Radiosendung „Apropos Sonntag“ vom Evangelischen Rundfunkdienst der EKBO tätig.