Wie bei der Taufe des Kämmerers

„Ernst und leicht zugleich“: ein Blick aus praktisch-theologischer Sicht auf die „Taufe to go“ von Christian Grethlein, emeritierter Professor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Christian Grethlein war bis zum Eintritt in den Ruhestand 2020 Professor für Praktische  Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Christian Grethlein war bis zum Eintritt in den Ruhestand 2020 Professor für Praktische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.privat/Christian Grethlein

Die Taufe hat in unserem Kulturkreis eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Karl der Große stellte den sächsischen Herzog Widukind vor die Alternative Taufe oder Tod – dieser wählte das Leben. Die mit ihm Unterworfenen mussten sich ebenfalls taufen lassen. In der Reformationszeit eskalierte der Streit um das rechte Taufalter. Die meisten Familien feierten später die Taufe ihrer Neugeborenen als bürgerliches Familienfest. Doch auch dieser Zusammenhang ist mittlerweile lockerer geworden beziehungsweise hat sich gelöst.

„Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“

Zugleich steht nach neutestamentlichem Zeugnis die Taufe Jesu durch Johannes am Beginn seines Wirkens (Markus 1, 9-11). Nach dem Matthäus-Evangelium sind die letzten Worte des Auferstandenen an seine Jünger: „Taufet sie (die Völker) auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Matthäus 28,19). Wie schnell und unkompliziert dies geschehen konnte, zeigt der Bericht über die erste Taufe: Philippus trifft einen Kämmerer aus Äthiopien: „Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser, was hindert’s, dass ich mich taufen lasse? Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab.“ (Apostelgeschichte 8, 36f.).

2017 erste Drop-In-Taufe in Kopenhagen

Mittlerweile geht die lange Zeit herrschende – und, wie der Verweis auf Karls brutale Religionspolitik zeigt, keineswegs problemlose – Selbstverständlichkeit der Taufe in vielen Ländern zurück. In dieser Situation initiierte die dänische Pastorin Mette Gramstrup 2017 in der Kopenhagener Kristkirken eine sogenannte „Drop-In Taufe“. Mehr als ein halbes Jahr hatte sie auf Social-Media-Kanälen dazu eingeladen. Ohne vorhergehende Anmeldung, Schulung oder Sonstiges konnte am entsprechenden Tag jede und jeder kommen und sich von ihr taufen lassen. Zwar hatte anfangs ihr Bischof Peter Skov-Jacobsen das Vorhaben der Pfarrerin kritisiert – ihr aber die Freiheit zu einem Versuch gelassen. Die ersten Erfahrungen in Dänemark zeigten jedoch – auch dem Bischof, wie er selbst erklärte – die große Chance dieser neuen Taufform.

Mittlerweile fanden in Deutschland ebenfalls die ersten Drop-In Taufen statt – auch hier sehr eindrucksvoll. Menschen finden sich ein, für die die herkömmliche kirchliche Praxis mit Taufanmeldung und das Einfügen in den sogenannten Gemeindegottesdienst unüberwindbare Schwellen sind. Ihre Taufen – in durchaus unterschiedlicher Weise vollzogen, im Kirchengebäude oder außerhalb, mit Familie oder allein – spiegeln etwas vom Ernst und der Leichtigkeit der Kämmerer-Taufe wider.

Die Getauften sind tief beeindruckt

Je nach persönlicher Situation stehen unterschiedliche Tauf-Symbole im Mittelpunkt: das Wasser für Reinigung; die Handauflegung für die heilsame Zuwendung; die Namensnennung für die persönliche Zueignung, das Kreuzzeichen für die persönliche Verbindung mit Christus; die Kerze für das Licht, das das Evangelium in unser Leben bringt.

Die Sorge, hier könnte das Sakrament verschleudert werden, hat sich bisher nicht bestätigt. Im Gegenteil: Die Getauften sind tief beeindruckt. Dazu eröffnen die Drop-In Taufen den Weg zu einer Kirche, die jenseits überkommener Traditionen die Verbundenheit mit Jesus feiert. Denn nicht nur Ort, sondern auch Musikform und Taufspruch werden von Täufling und Pfarrerin oder Pfarrer gemeinsam ausgewählt. Dass solche Drop-In Taufen durch Pastorinnen, Kirchenmusiker und andere Mitarbeitende sorgfältig vorbereitet werden müssen, liegt auf der Hand – und entspricht ihrer theologischen Bedeutung.