Wie Anders Amen zu einer neuen Gemeinde geworden ist

Mit ihren Videos auf Youtube erreichen die beiden Pastorinnen aus Niedersachsen vor allem junge Menschen. Für ihr „Pionier-Projekt“ können sie sich noch viel mehr vorstellen – wenn sie denn Zeit hätten.

Auch im heimischen Wohnzimmer zeichnen Stefanie (li.) und Ellen Radtke ihre Youtube-Videos auf
Auch im heimischen Wohnzimmer zeichnen Stefanie (li.) und Ellen Radtke ihre Youtube-Videos aufJens Schulze / epd

Eime/ Kr. Hildesheim. Das lesbische Pastorinnen-Ehepaar Ellen und Stefanie Radtke kann sich künftig reine Online-Kirchengemeinden vorstellen. Mit ihrem Kanal „Anders Amen“ erreichen die Youtuberinnen inzwischen mehr als 10.000 Abonnenten – und sehen darin ein „Pionier-Projekt“ für die gesamte Kirche, wie sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläuterten. In ihren Videos diskutieren sie nicht nur Glaubens- und Lebensfragen, sondern teilen zudem ihren Alltag im Dorf Eime bei Hildesheim, inklusive künstlicher Befruchtung und Schwangerschaft. Dieser Themenmix brachte dem Kanal kürzlich eine Nominierung für den „Smart Hero“-Award von Facebook ein.

„Unser Zulauf an Nutzern, die sich über geistliche Impulse freuen, ist gigantisch. Das könnte man jederzeit ausbauen und regelmäßig etwas anbieten“, sagte Ellen Radtke. In größerem Umfang lasse sich das aber weder mit den anderen beruflichen Aufgaben noch mit dem Kind vereinbaren, das sie erwarte. Auch Stefanie Radtke betonte, dass eine mögliche Ausweitung ihrer Youtube-Aktivitäten derzeit an Grenzen stoße: „Da ist so viel mehr möglich – aber es fehlt uns einfach die Zeit. Ich will schließlich weiter eine gute Dorfpastorin sein.“ Um beides künftig besser miteinander verbinden zu können, sei es denkbar, aus dem Kanal eine der besonderen Formen von Gemeinde zu machen, wie sie die hannoversche Landeskirche einrichten möchte.

Beim Drive-In-Gottesdienst

In den vom Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen produzierten Videos gehen die Radtkes etwa mit dem Ortsbürgermeister wandern, besuchen einen Drive-In-Gottesdienst oder diskutieren auch schon mal über Penis-Größen. Ein Angebot, das vor allem Jugendliche und junge Erwachsene anspreche: „Junge Menschen, durchschnittlich 25 Jahre alt, sind statistisch gesehen unsere größte Zielgruppe. Vermutlich ist das Publikum sogar noch jünger, denn Teenager erfasst YouTube gar nicht, die nutzen oft den Account der Eltern“, sagte Stefanie Radtke.

Ellen Radtke zufolge schauten aber auch Eltern den Kanal. „Die wollen alles über queeres Leben wissen, damit sie ihren Kindern keine dummen Fragen mehr stellen müssen. Wir bekommen da ganz oft echt süße Anfragen.“ Einige der Eltern seien froh, dass das Pastorinnen-Ehepaar ein Baby erwartet. „Denn viele finden es okay, dass ihre Kinder etwa schwul oder lesbisch sind – aber Enkel hätten sie dennoch gern. Da geben wir ihnen Hoffnung mit unserem Kind.“

Stolz sind die Radtkes auf die Nominierung als eines von vier aus 500 Projekten im Bereich „Demokratisch gestalten“ für den „Smart Hero“-Award. Dass mit „Anders Amen“ ein kirchliches Projekt infrage komme, sei „Wahnsinn“. Wenn das Baby komme, wollten sie dennoch erst einmal Pause machen, verrieten sie dem epd. Vieles in ihrem Leben spiele sich öffentlich ab, sagte Ellen Radtke. „Aber die Hausgeburt werden wir auf jeden Fall nicht filmen – auch wenn unsere Hebamme das cool gefunden hätte.“ (epd)