Kurswechsel an der Spitze der Erzdiözese New York: Mit der Annahme des Amtsverzichts von Kardinal Timothy Dolan (75) nutzt Papst Leo XIV. auch die Chance, die US-Kirche zu erneuern.
Als Kardinal Timothy Dolan im Februar pflichtgemäß zu seinem 75. Geburtstag seinen Amtsverzicht für das Erzbistum New York anbot, durfte er – weil Kardinal – noch mit einigen Jahren Nachspielzeit rechnen. Dolans Verhältnis zu Papst Franziskus galt als nicht eng – aber allemal gut genug, um noch eine Weile im Amt zu bleiben.
Nach Franziskus’ Tod an Ostermontag brachte Donald Trump seinen alten Freund aus New York sogar als Nachfolger ins Spiel. “Wir haben einen Kardinal, der zufälligerweise aus einem Ort namens New York kommt und der sehr gut ist”, erklärte der US-Präsident auf die Frage, wen er sich denn als nächsten Papst wünsche – bevor das Weiße Haus schließlich ein KI-Bild von Trump selbst im weißen Papstgewand postete.
Das ging dann selbst Kardinal Dolan zu weit – der dieses Verhalten des US-Präsidenten als “keine gute Sache” bezeichnete. Eine seiner seltenen Distanzierungen von Trump. Mit ihm verbindet Dolan nicht bloß ein auf gegenseitigem Geben und Nehmen gegründetes Verhältnis, sondern eine gleiche Wellenlänge. Bei beiden Amtseinführungen Trumps sprach der New Yorker Erzbischof ein Gebet für den Präsidenten.
Im Wahlkampf konnte Dolan seine Sympathien für Trump kaum verbergen. In einer Telefonkonferenz mit rund 600 katholischen Kirchenführern nannte er den Kandidaten einen “großartigen Gentleman” und “großartigen Freund von mir”. Er rufe Trump häufiger an als seine 90-jährige Mutter in Missouri.
Mit dem nun von Franziskus’ Nachfolger Leo XIV. angenommenen Rücktritt Dolans gehen nicht nur dessen 16 Jahre an der Spitze einer der wichtigsten Diözesen der USA zu Ende; Trump verliert auch seinen Gewährsmann bei den US-Bischöfen. Damit bestätigen sich Spekulationen der vergangenen Tage, die schon von einem bevorstehenden Wechsel ausgegangen waren. “Es wird passieren. Die Frage ist nur wann”, hatte Rob Astorino, ein enger Vertrauter des Kardinals, der “New York Post” anvertraut.
Dolans Nachfolger wird nun Ronald Hicks (58), Bischof von Joliet in Illinois. Der Kontrast zu Dolan könnte kaum größer ausfallen. Während der scheidende Kardinal zu den sichtbarsten Kirchenmännern der USA gehörte, mediengewandt und politisch vernetzt bis ins Weiße Haus, verlief Hicks’ bisheriger Werdegang eher unauffällig. Er wuchs in South Holland im Großraum Chicago auf – woher auch der erste Papst aus den USA stammt. Papst Franziskus ernannte Hicks, damals Weihbischof in Chicago, im Juli 2020 zum Bischof des rund 60 Kilometer entfernten Joliet.
Hicks seinerseits gab seine Verbundenheit mit dem neuen Papst schon nach dessen Wahl zu erkennen. “Er wirkt nicht wie eine abstrakte Figur oder Theorie”, sagte Hicks dem Sender WGN-TV in Chicago zu Leos Wahl. “Er ist ein normaler Typ aus einer normalen Nachbarschaft.” Die geografische Nähe ihrer Herkunft spiegelt womöglich auch eine inhaltliche.
Dies steht im Gegensatz zu Dolan, der nach der Papstwahl versucht hatte, die politische Dimension der Entscheidung auszublenden. “Ich glaube nicht, dass meine Mitkardinäle ein Gegengewicht zu einer bestimmten Person schaffen wollten”, erklärte er bei einer Pressekonferenz am Pontifical North American College in Rom.
Auf den Bürgersteigen vor der New Yorker Saint-Patrick’s Cathedral äußerten sich Gläubige gemischt zu Dolans Rücktritt. “Ich bin für einen liberaleren Kurs der katholischen Kirche”, freute sich etwa Anne Hetzel am Mikrofon des Lokalsenders NY1.COM. Der scheidende Kardinal ist für diesen Teil der Katholiken eher ein Repräsentant der beharrenden Kräfte. “Die Kirche steckt fest. Sie ist nicht wirklich vorangekommen”, meint Hetzel.
Andere, wie Gerard Vinci, geben sich “als großer Fan von Dolan” zu erkennen. “Ich liebe Dolan”, sagt er; ein Beleg für die Volkstümlichkeit und Fähigkeit des Kardinals, seine politischen Kontakte einzusetzen, Positionen der Kirche durchzusetzen – von Abtreibung bis zur Schulpolitik.
Hicks tritt ein schweres Erbe an. Er muss die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals vorantreiben, die Finanzen konsolidieren und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. 1.300 Klagen haben das Erzbistum in eine finanzielle Krise gestürzt. Um mindestens 300 Millionen Dollar für Entschädigungen aufzubringen, mussten bereits Immobilien verkauft, Mitarbeiter entlassen und das Budget um zehn Prozent gekürzt werden.
Dass Dolans Nachfolger bei einigen Themen kirchenpolitisch einen anderen Kurs einschlagen wird, halten Beobachter für wahrscheinlich. Sonst hätte Papst Leo XIV. die Weihnachtstage abwarten und dem Kardinal noch Zeit lassen können, eine Einigung mit den Missbrauchsopfern in trockene Tücher zu bringen.