Warnung vor Hass-Sprache und gute Finanzzahlen

Die Risse in der Gesellschaft beschäftigen auch die westfälische Landessynode. Präses Kurschus macht eine gezielte Verrohung der Sprache für rechtsextrem motivierte Morde mitverantwortlich. Auch das Reizthema Migration steht auf der Tagesordnung.

Bielefeld (epd). Die westfälische Präses Annette Kurschus warnt vor einem Zerfall der Gesellschaft durch Hass, Gewalt und eine verletzende Sprache. «Für die Morde von Halle oder den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten sehe ich einen kräftigen Nährboden in der subtilen und offenen Vergiftung unserer Sprache», sagte die Theologin, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, am Montag vor der Landessynode in Bielefeld. Finanzdezernent Arne Kupke informierte das Kirchenparlament über leicht steigende Kirchensteuereinnahmen, mahnte aber zum Handeln angesichts absehbarer Einbrüche.

Kurschus kritisierte in ihrem Bericht vor der Synode der Evangelischen Kirche von Westfalen, es grassiere eine «unerträgliche Maßlosigkeit und blinde Emotionalisierung» der Sprache. Aus Lügen, Beleidigungen und Drohungen würden immer öfter physische Gewalt bis hin zum Mord. Die Präses forderte eine neue Haltung der Anerkennung, Sorgfalt im Streit, einen respektvollen Umgang und eine Sprache, die «Anstand und Argument vor Anrempelung und Attacke setzt». Gemeinden und Kirchenkreise sollten vor den NRW-Kommunalwahlen im September 2020 «lokale Bündnisse für anständigen Streit und respektvolles Ringen» schmieden.

Alarmiert zeigte sich Kurschus über Erfolge rechtsradikaler Parolen und einen breiten Rückhalt antidemokratischer Kräfte. Das Vertrauen in die Demokratie sei bis ins Mark erschüttert, Rechtspopulismus und rechtsnationaler Terror machten sich bedrohlich breit in Deutschland, beklagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, die sich nach achtjähriger Amtszeit am Mittwoch zur Wiederwahl stellt. Ihre Wahl gilt als sicher.

Mir Blick auf den Antisemitismus rief die 56-jährige Theologin zur Solidarität mit Juden auf. Sie warb zudem für eine menschenwürdige Migrations- und Asylpolitik und wandte sich gegen eine Verschiebung sozialrechtlicher Standards, die menschliche Würde gefährdet. An die Christen appellierte Kurschus, offener und selbstbewusster über ihren Glauben zu sprechen: «Unsere Kinder und Enkel müssen von der christlichen Hoffnung erfahren. Wir haben kein Recht, davon zu schweigen.» Angesichts langfristig zurückgehender Einnahmen und Mitgliederzahlen seien Reformen der Kirche unausweichlich, eine «Kirche in anderer Gestalt» sei aber möglich.

Auch Finanzdezernent Kupke äußerte sich zur Mitglieder- und Finanzentwicklung und verwies auf die im Mai veröffentlichte Prognose der «Freiburger Studie», nach der die beiden großen christlichen Kirchen im Jahr 2060 nur noch halb so groß sein könnten wie heute.

«Der prognostische Rückgang der Einnahmen bis 2025 um ein Fünftel und bis 2030 um ein Viertel klingt so leicht, wird aber drastische Auswirkungen auf alle Haushalte unser Kirche haben», warnte Kupke. Es könne aber etwas getan werden, um die Entwicklung positiv zu beeinflussen, betonte der Jurist und verwies auf die Möglichkeiten von Fundraising und Mitgliederbindung.

In diesem Jahr erwartet die westfälische Landeskirche Kirchensteuereinnahmen von 560 Millionen Euro – das sind zehn Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr und 53 Millionen Euro mehr als ursprünglich kalkuliert. Im Zuge einer langfristig orientierten Haushaltspolitik müsse aber weiterhin konsequent und nachhaltig Konsolidierung betrieben werden, sagte Kupke.

Die Synode wird den Haushalt vermutlich am Dienstagabend verabschieden. Am Montagnachmittag stand unter anderem die sogenannte Hauptvorlage zum Thema «Kirche und Migration» auf der Tagesordnung.