Wenn Eltern zu viel trinken

Es ist ein Alptraum für Kinder, wenn die eigenen Eltern suchtkrank sind. Spezielle Hilfsangebote für die Kinder sind wichtig – damit sie später selbst nicht zur Flasche oder zu anderen Drogen greifen. Darauf macht eine Aktionswoche aufmerksam.

Würzburg (epd). Dieser Satz versetzte sie in Rage. Was nahm sich ihr Sohn eigentlich heraus? "Von dir lasse ich mir gar nichts sagen, Mutter, du säufst", hatte er gerade eben geschrien. Dann war er weggelaufen. Zu jener Zeit hatte sich Bärbl Puls noch nicht eingestanden, wie tief sie in ihre Sucht verstrickt war. Und sie hatte den Gedanken verdrängt, was sie ihren beiden Söhnen durch ihre Trinkerei antat. "Ich habe ihnen das, was sie dringend gebraucht hätten, nicht geben können", sagt sie heute nach mehr als 16-jähriger Abstinenz.

Desinteresse an dem, was die Kinder den Tag über erlebt haben, ständige Querelen, unerklärliche Reaktionen wegen Rauschzuständen: Kinder suchtkranker Eltern leiden immens unter der oft chaotischen Situation zu Hause. Bis zu drei Millionen Jungen und Mädchen sollen in Deutschland betroffen sein. Dass sie dringend Unterstützung benötigen, darauf macht alljährlich die "Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien" aufmerksam. Sie findet in diesem Jahr vom 9. bis 15. Februar statt.

Meist abends. Manchmal auch tagsüber

Puls zog am 31. Dezember 2003 einen Schlussstrich unter ihre Sucht. Seitdem hat sie keinen Tropfen mehr angerührt. Sie dachte seither viel darüber nach, warum sie süchtig wurde. Und was die Sucht bei ihr, aber auch in ihrem Umfeld angerichtet hatte. Gerade ihr älterer Sohn, weiß sie heute, litt schrecklich darunter, dass seine Mutter trank. Meist abends. Manchmal auch tagsüber. "Er sagte mir später, dass er sich deshalb nie getraut hatte, Freunde mitzubringen", sagte die heute 61-Jährige. Auch hatte er schreckliche Angst, dass ihr durchs Trinken etwas passieren könnte. Mit diesen Ängsten fühlte er sich alleine.

Bärbl Puls propagiert heute frühe professionelle Hilfen für Kinder, deren Eltern süchtig sind. Sie ist überzeugt, dass viel Leid hätte verhindert werden können, hätte ihr Sohn Unterstützung erhalten. Als er volljährig wurde, brach er mit seiner Mutter: "Wir hatten zehn Jahre keinen Kontakt." Darunter litt Puls sehr. Selbst als sie trocken wurde, kam keine Verbindung zustande. Erst 2011, als er in einer existenziell bedrohlichen Situation war, rang sich der Sohn durch, wieder Kontakt aufzunehmen. Seitdem haben die beiden viel geredet: "Wir sind immer noch dabei, aufzuarbeiten, was damals alles geschehen ist."

Emotionale Achterbahnfahrt

Ob Mama gerade einen guten oder einen schlechten Tag hat – diese Frage ist für Kinder aus Suchtfamilien eine emotionale Achterbahnfahrt und extrem belastend. "Die Kinder bräuchten häufiger professionelle Unterstützung", sagt auch Patricia Fischer-Martin vom Würzburger Kinderschutzbund. Eltern, die viel Alkohol trinken, von Medikamenten oder illegalen Drogen abhängig sind, könnten sich nicht angemessen um die Bedürfnisse ihrer Kinder kümmern. "Erfahren diese Kinder aber nicht, dass ihre Bedürfnisse richtig und wichtig sind, tendieren sie dazu, ein schwaches Selbstbild zu entwickeln", sagt die Sozialpädagogin.

Eltern haben für Kinder eine Vorbildfunktion. Kinder lernen an ihrem Beispiel, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten und nach welchen Werten sie sich richten sollen, sagt Konstantina Papadimitriou, die Geschäftsführerin des ambulanten Bereichs des Münchner Vereins "extra – Suchthilfe für Frauen und Angehörige". Sie können aber auch negative Verhaltensweisen übernehmen. Deshalb sei die Gefahr, dass das Kind eines süchtigen Elternteils selbst früh anfängt, viel zu trinken oder Drogen zu nehmen, sehr hoch. Viele suchtkranke Eltern schafften es nicht, ihre vielfältigen Ängste zu überwinden und Hilfe zu suchen.