Wenn die Kunst fließt
Fast so klein wie eine Waldameise wirkt der Mensch auf dem Gemälde von Johann-Martin von Rhoden. Das 1825 entstandene Bild „Die Kaskaden von Tivoli“ zeigt, wie riesige Wassermassen in die Tiefe stürzen. Gegenüber auf einem Felsen steht winzig klein ein Mann, der überwältigt auf das Naturschauspiel deutet. Der Romantiker von Rhoden stellt Wasser als unbeherrschbares Element dar und den Menschen als klein und respektvoll vor seiner Allgewalt.
Von Rhodens Darstellung ist eines von insgesamt 48 Meisterwerken der Ausstellung „Im Fluss. Eine Geschichte über das Wasser“. Die Schau beleuchtet die verschiedenen Bedeutungsebenen, die Wasser über die Jahrhunderte hinweg immer wieder zu einem beliebten Motiv für künstlerisches Schaffen machten. Zu sehen sind bis zum 27. April 2025 insgesamt 36 Gemälde sowie Fotografien und Skulpturen aus der Zeit von 1600 bis in die Gegenwart. Ergänzt werden die klassischen Meisterwerke – darunter Gemälde von Eugéne Boudin, Claude Monet oder Paul Signac – durch Landschaftsfotografien des Düsseldorfer Künstlers Elger Esser.
„Gerade hier im Arp Museum am Rhein hat man einen direkten Bezug zum Wasser“, sagt Kuratorin Susanne Blöcker. Nicht nur bietet das Museum einen Blick auf den Fluss. Nur wenige Kilometer entfernt trug sich im Juli 2021 die Flutkatastrophe im Ahrtal zu. An sie erinnert ein kleiner goldener Barockengel aus dem 18. Jahrhundert, der zwei Wochen nach der Flut aus dem Schmutzwasser geborgen wurde. Mit Hilfe von Spenden konnte er restauriert werden.
Dass Überschwemmungen Menschen auch schon in früheren Zeiten zu schaffen machten, beweist Claude Monets Gemälde „Hochwasser“ (1881). Es zeigt einerseits die Seine, die nach einem Eisbruch im Frühjahr 1881 die Landschaft überschwemmt, während der Regen vom Himmel prasselt. Zugleich spiegelt das Naturereignis aber auch Monets Seelenzustand. Der Maler hatte gerade seine Frau verloren und befand sich zudem in finanziellen Nöten.
Doch die Kunst thematisiert weit mehr als nur die bedrohlichen Seiten des Wassers. Von seiner spirituellen Bedeutung zeugt eine Holzskulptur von Johannes dem Täufer, geschaffen von dem berühmten Renaissance-Künstler Jacopo della Quercia (1374-1438) – das älteste Werk in der Ausstellung. Für die Schönheit der Flüsse stehen Gemälde wie das des niederländischen Meisters Salomon van Ruysdael (1600-1670). Er präsentiert die lyrische Stimmung einer herbstlichen, nebelverhangenen Fluss-Idylle. 250 Jahre später ist es vor allem die Bewegung, die den Impressionisten Alfred Sisley (1839-1899) an der Seine-Landschaft in Saint-Mammès interessiert. Er hält die Lichtreflexe auf der Oberfläche des Stroms fest.
Einen flüchtigen Moment in der Zeit spiegeln auch die Fotografien des 1967 geborenen Künstlers Elger Esser, ein Vertreter der Düsseldorfer Fotoschule von Bernd und Hilla Becher. Seine Fluss- und Meereslandschaften sind inspiriert von der frühen Fotografie und der impressionistischen Malerei. Er arbeitet gerne mit historischen Materialien wie versilberten Kupferplatten. Seine Fotografie von der Ile d’Arun, einer kleinen Insel in der Bretagne, wirkt dadurch wie in goldenes Licht getaucht.
Immer wieder haben Künstler Flüsse und Meere als Lebensadern und Nahrungsquellen in den Fokus gerückt. Vor allem im Barock sind Fische und Meeresfrüchte ein beliebtes Motiv für Stillleben. Auf dem Gemälde des italienischen Malers Giuseppe Recco (1634-1695) scheinen die Fische gerade aus dem Meer gezogen worden zu sein. Auf dem Tisch sind die Wassertropfen zu sehen, die von dem Fang abgeperlt sind.
Immer wieder taucht das Meer auch als Sehnsuchtsort auf, der im wahrsten Sinne des Wortes den Horizont erweitert. Willem van de Velde (1633-1707) malt den Aufbruch der holländischen Schiffsflotte auf der Maas in die Weite des bewölkten Himmels. Der 1957 geborene niederländische Künstler Bart Koning nimmt auf seinem fotorealistischen Gemälde „I Go to Sea“ (2013) den unendlichen Horizont des Meeres in den Blick.
Nicht zuletzt bedeutet Wasser auch Erholung. Dieser Aspekt gewinnt seit dem späten 18. Jahrhundert an Bedeutung, als die Seebäder entstehen. Das rege Treiben in den Küstenorten wird zum beliebten künstlerischen Motiv. Der französische Fauvist Raoul Dufy (1877-1953) etwa malt 1906 eine bunte Menschenmenge am Strand von Saint-Adresse. Der flüchtigen Moment-Malerei seiner impressionistischen Vorbilder setzt er eine leuchtende, flächige Farbigkeit entgegen. Den Weg in die Abstraktion weist auch schon Signacs postimpressionistisches Gemälde „Das Meer Opus 211“ (1890), in dem Meer und Land zu reinen Farbflächen ohne Tiefenwirkung werden.