Wenn der Verzicht auf Pausen die Gesundheit belastet

90.000 Stunden ihres Lebens verbringen die Deutschen laut Statistiken am Arbeitsplatz. Um so wichtiger ist laut Fachleuten ausreichend Zeit für Pausen und Erholung. Hier ein paar Tipps zum Abschalten.

Die ideale Pause: Entspannungsübungen, wie Musik hören
Die ideale Pause: Entspannungsübungen, wie Musik hörenImago / Westend61

Die Gesetzeslage ist klar: Wer bis zu neun Stunden täglich arbeitet, hat Anspruch auf eine halbstündige Pause; bei über neun Stunden verlängert sich die Pause auf 45 Minuten. Auch für kürzere Einheiten gibt es Fachbegriffe: Wenn jemand einige Sekunden aus dem Fenster schaut, ist das eine Mikropause. Eine Dauer von einer bis fünf Minuten – etwa eine Raucherpause – wird als Minipause bezeichnet, eine Unterbrechung unter einer Viertelstunde als Kurzpause.

Allerdings: Zwischen einem Viertel und einem Drittel der Beschäftigten geben in Umfragen an, dass ihnen für Pausen regelmäßig die Zeit fehlt. Besonders betroffen sind davon Beschäftige mit Kundenkontakt, also etwa Pflegekräfte, aber auch Lehrerinnen und Lehrer sowie Beschäftigte in der Gastronomie, sagt Johannes Wendsche. Der Arbeitspsychologe befasst sich für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) mit der Gestaltung von Pausen. Seine Diagnose: „Vieles hängt mit der Arbeitssituation zusammen.“ So hapere es im Gesundheitswesen an Springer-Regeln, damit etwa die Versorgung pflegebedürftiger Menschen sichergestellt sei – und die Pflegenden trotzdem Pause machen können.

Wer sich überlastet, schadet seiner Gesundheit

Klar ist, dass auf Dauer die Gesundheit leidet, wenn Menschen sich überlasten. Schon das Verkürzen könne problematische Folgen nach sich ziehen, so Wendsche – und wenn die Pause immer wieder ausfällt, drohten Müdigkeit, Motivationsverlust und Konzentrationsschwierigkeiten.

Einen Schritt weiter geht die Publizistin Andrea Gerk: Ohnehin dienten Pausen derzeit „nur noch der Wiederherstellung unserer Arbeitskraft“, kritisierte sie kürzlich bei Spiegel Online. „Uns wird eingebläut, wir sollen achtsam sein – aber oft geht es nur darum, dass wir noch besser funktionieren sollen.“ Gerk hat im Herbst das Buch „Pause! Das kleine Glück dazwischen“ veröffentlicht. Im Vergleich zu einer „echten Auszeit“, so ihre Einschätzung, sei es kaum erholsam, sich durch Soziale Medien zu klicken oder nebenbei den nächsten Urlaub zu planen.

Ideal: Fitnesstrainer in Unternehmen

Ob Entspannungsübungen, ein Spaziergang, ein Mittagessen im Kreis von Kolleginnen und Kollegen: Die ideale Pause stellt sich jede und jeder etwas unterschiedlich vor. Wendsche sieht durchaus aktive Gesundheitsförderung bei Unternehmen: „Rückenschule, Anti-Stress-Trainings, Entspannungstechniken – das kann hilfreich sein. Vor allem in größeren Unternehmen kommen mitunter auch Fitnesstrainer, die Ausgleichsübungen mit den Beschäftigten machen.“ Auch viele Krankenkassen übernehmen Kurse für progressive Muskelentspannung, Qigong oder autogenes Training.

Solche Maßnahmen können die Erholungskompetenz verbessern – aber: An der Arbeitssituation selbst ändern sie nichts. „Es ist super, wenn sich ein Kellner gut entspannen kann. Aber wenn seine Arbeitsbedingungen eine Pause unmöglich machen, nützt ihm das leider wenig“, sagt Wendsche.

Er fordert daher, bei den vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen auch psychische Belastungen zu berücksichtigen. So werden etwa Belastungen durch Hitze, Lärm und Lichtbedingungen regelmäßig überprüft; ergonomische Arbeitsplätze sind in den einen Jobs an der Tagesordnung, Schutzkleidung in anderen. Bedingungen verdichteter Arbeit, zu viele Unterbrechungen, zu häufige Multitasking-Anforderungen: Das ist laut Wendsche noch zu wenig im Blick.

Räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatleben

Sinnvoll sei es, den Arbeitsplatz für die Pause zu verlassen und generell zwischen Arbeit und Privatleben räumlich zu trennen – auch im Homeoffice. „Nicht jeder kann sich einen eigenen Arbeitsbereich einrichten“, weiß der Experte. „Aber man kann den Laptop aus der Küche räumen, wenn man tagsüber dort gearbeitet hat, und gleich nach Feierabend bewusst etwas ganz anderes machen.“

Allerdings fällt das Abschalten vielen Menschen nicht nur im Hinblick auf die Arbeit schwer – und das, obwohl „beim Nichtstun oft die besten Ideen“ entstehen, wie Autorin Gerk betont. Die Forschung unterscheidet mehrere Faktoren, die zur Erholung beitragen können: etwa Bewegung, kreative Tätigkeiten, Zugehörigkeit zu Familie, Freunden oder Nachbarinnen erleben. Wendsche: „Es ist gut, so viel wie möglich davon in die Freizeit einzubauen – je nachdem, was einem selbst besonders gut tut.“