Wenn Champagner-Hefe auf fränkisches Streuobst trifft

Wenn man die Worte Franken und Wein in einem Satz ausspricht, denkt die überwiegende Mehrheit an Bocksbeutel – also Wein aus Traubenbeeren, Steillagen entlang des Mains, an Silvaner, Bacchus und Müller-Thurgau. Doch wenn Krischan Cords über Wein und Sekt aus Franken spricht, hat er in der Regel etwas ganz anderes im Sinn und im Glas. Er ist Geschäftsführer der „Main Streuobst Bienen“-Genossenschaft, die ihre Äpfel, Birnen, Quitten & Co. zum Beispiel zu Apfelsekt veredelt, angelehnt an französischen Cidre.

Streuobstwiesen – traditionelle Wiesen mit verstreuten Hochstamm-Obstbäumen – gelten als ökologisch besonders wertvoll: Sie bieten nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland Lebensraum für mehr als 5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Auf Streuobstwiesen wachsen oft alte Obstsorten. Ihre Pflege ist sehr aufwendig und wird durch Fördermittel unterstützt. Trotzdem verschwinden in Bayern jedes Jahr rund 100.000 Streuobstbäume. Bundesweit hat sich die Fläche der Streuobstwiesen allein zwischen 1955 und 2013 um 80 Prozent reduziert. Aktuell sind es noch geschätzt 300.000 bis 400.000 Hektar.

Denn: Trotz Förderung bleibt bei einer Bewirtschaftung von Streuobstwiesen finanziell wenig hängen. Jedenfalls, wenn man es „traditionell“ angeht. „Traditionell“ heißt in diesem Fall für Christian und Leon Schättler aus Geesdorf im Landkreis Kitzingen nahe Nürnberg: Man erntet das Obst und bringt es zu einer Kelterei – so, wie das die meisten Nebenerwerbslandwirte eben machen. „Das funktioniert aber nur bedingt“, sagt der 27 Jahre alte Betriebswirt Christian Schättler. Man müsse das Gros der Wertschöpfungskette in den eigenen Händen halten, um am Ende auch einen auskömmlichen Gewinn zu erzielen. Das heißt: Obst anbauen, Saft pressen und pasteurisieren, abfüllen, veredeln und verkaufen. In ihrer „Landbrennerei“ machen die Brüder neben Säften und Schnäpsen seit einiger Zeit auch Weine aus Äpfeln, Birnen und Quitten.

„Unsere Säfte sind natürlich teurer als das, was beim Discounter steht“, sagt der 23-jährige Leon Schättler. Es sei auch nicht ihr Ziel, ihre Produkte preislich konkurrenzfähig zu machen, es gehe um Qualität. „Und um Genuss, um Dankbarkeit“, sagt Christian Schättler. Denn Produkte, die aus Obst von Streuobstwiesen gemacht würden, „haben nichts mit der Industrie- und Plantagenware gemeinsam“.

Im „Massen-Apfelsaft“ landet nämlich – egal, ob er als Premium-Direktsaft oder anderswie vermarktet wird – vor allem Obst aus Plantagen, das eigentlich für den Direktverzehr gedacht ist. „Alles, was nicht schön genug ist für die Auslage, kommt dann in den Entsafter“, erläutert Krischan Cords. Aber Speise- und Saftäpfel seien eigentlich zwei Paar Stiefel. „Viele der alten Streuobst-Sorten sind für den direkten Rohverzehr nicht geeignet. Sie sind zu sauer und zu bitter, machen ein pelziges Mundgefühl. Fürs Saftpressen aber ist das optimal.“

Streuobst-Apfelsaft, auch wenn er sortenrein ist, ist aber kein Produkt, mit dem man viel verdient. Also experimentiert auch die „Main Streuobst Bienen“-Genossenschaft seit Langem bei der Veredelung ihrer Säfte: Sie hat beispielsweise Apfel- und Birnensekt in Flaschengärung mit Champagner-Hefen im Programm – eine fruchtig-trockene Variante und Extra-Brut. Aktuell entwickelt die Genossenschaft einen Cider nach englischem Vorbild.

Auch an der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim ist man beim Thema Streuobst-Saftveredelung aktiv. Es gibt dort Seminare zur Cider- und Cidre-Herstellung für Winzer und Streuobstbesitzer, aber auch die Forscherinnen und Forscher selbst experimentieren mit verschiedenen Vergärungsmethoden oder mit der Verperlung von Fruchtweinen. Das Ziel dahinter: Wertvolle Streuobstwiesen erhalten, indem man die Verwertung des Streuobsts lukrativer macht – durch hochpreisige Produkte.

Beim Vergleich von Saft und Schaumwein kommt Krischan Cords zum Ergebnis: „Mit einer Flasche Apfelschaumwein verdient man am Ende mehr, selbst wenn die Produktionskosten höher sind.“ Allerdings gehe es den Mitgliedern seiner Genossenschaft nicht in erster Linie um höhere Gewinnmargen, betont er: „Wir wollen Getränke und Genussmittel herstellen, die aus der Masse der klassischen Apfelprodukte herausragen.“ Dazu gehöre auch, dass der Natur- und Umweltschutz eine wichtige Rolle spiele, alle Genossenschafts-Streuobstwiesen sind Bio-zertifiziert. (00/1180/23.04.2024)