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Welttag der psychischen Gesundheit – Bessere Versorgung gefordert

Vier von zehn Jugendlichen erleben Stigmatisierung wegen psychischer Erkrankungen, in Krisenregionen fehlt Hilfe für Millionen Kinder. Fachleute fordern eine höhere Priorität für mentale Gesundheit.

Immer mehr Kinder bräuchten psychosoziale Unterstützung – doch nur ein Bruchteil bekomme sie: Zum Welttag der psychischen Gesundheit am Freitag ziehen Hilfsorganisationen diese alarmierende Bilanz. “In Krisenregionen ist der Zugang zu psychischen Gesundheitsdiensten oft extrem unzureichend”, erklärten die SOS-Kinderdörfer am Mittwoch. Sprecher Boris Breyer rief die Weltgemeinschaft zum Handeln auf.

Der Experte verwies auf Zahlen der Vereinten Nationen, nach denen rund 473 Millionen Kinder von Kriegen und Konflikten betroffen sind. Die Folgen seien Angststörungen, anhaltendes Weinen, sozialer Rückzug oder aggressives Verhalten.

Der Zugang zu psychosozialer Versorgung könne entscheidend sein, hieß es weiter. Doch der durchschnittliche Anteil der staatlichen Ausgaben für psychische Gesundheit halte mit nur zwei Prozent des Gesundheitsbudgets “bei weitem nicht Schritt mit dem steigenden Bedarf”: Die durchschnittliche Zahl der Fachkräfte im Bereich der psychischen Gesundheit liege bei 13 pro 100.000 Einwohnern; in Ländern des globalen Südens, insbesondere in Krisenregionen, sei der Mangel besonders ausgeprägt.

Die Hilfsorganisation Help mahnte, mindestens jeder fünfte Mensch, der gewaltsame Konflikte oder eine Katastrophe erlebt habe, leide an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Ohne gezielte psychosoziale Hilfe drohten langfristige Folgen für die Betroffenen. Eine solche Unterstützung sei keine klassische Lebensrettung, doch ohne sie sei kein echter Wiederaufbau möglich, sagte Help-Programmleiterin Julia Brückner.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef weist darauf hin, dass das Thema auch hierzulande viele junge Menschen betreffe. Zwar sei die Generation Z – also ungefähr diejenigen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden – mit dem Thema mentale Gesundheit so vertraut wie keine Generation zuvor; offen darüber gesprochen werde jedoch selten. Laut einem Unicef-Bericht erleben vier von zehn Jugendlichen beim Thema mentale Gesundheit Stigmatisierung im schulischen oder beruflichen Umfeld.

Hilfe suchten junge Menschen demnach oft in Sozialen Medien. Das Hilfswerk verweist jedoch auf Studien, nach denen Inhalte dort zwar große Reichweiten erreichen, aber verzerrt sind. “Das fördert zwar die Entstigmatisierung und Sichtbarkeit von mentaler Gesundheit, birgt jedoch auch die Gefahr falscher Einordnungen”, warnt Unicef.

Am Freitag startet das Hilfswerk gemeinsam mit dem Unternehmen Ströer eine Aufklärungskampagne unter dem Motto “fühlich. Reden hilft. Zuhören auch.” Sie solle junge Menschen darin bestärken, das Gespräch mit Freundinnen und Freunden, der Familie oder Lehrkräften zu suchen, weil dies oftmals entlastend wirken könne. Ein Programm für “SOS Mental Health Peers” starten auch die SOS Kinderdörfer zum Welttag der psychischen Gesundheit.