Weltfriedenstreffen Sant` Egidio in Berlin

In Berlin findet eine der wichtigsten internationalen Veranstaltungen zum Frieden statt: das Weltfriedenstreffen „Frieden wagen“, das von der Gemeinschaft Sant‘ Egidio organisiert wird.

Plakat zum Weltfriedenstreffen in Berlin 2023
Plakat zum Weltfriedenstreffen in Berlin 2023promo / Sant`Egidio

Wer am Alexanderplatz aussteigt, kann die verschiedenen, von Armut gezeichneten Gesichter nicht übersehen. Sichtbar die fast erloschene Hoffnung auf Änderung ihrer prekären Lage. Der Geruch verzweifelter Ortlosigkeit verdichtet sich hier. Ob hier gerade jemand weiß, dass in der Nähe zum Friedenstreffen geladen wird? Religionen, Generationen, Kulturen im Dialog. Auf der einen Seite diese Nöte der Einzelnen nicht nur vom Alexanderplatz und auf der anderen die unfassbare Not einer Welt mit Kriegsorten, die zu zählen zwei Hände nicht reichen.

Der Zusammenhang ist der seit 1968 bestehenden katholischen Initiative Sant‘ Egidio aus Rom klar, die der Historiker Andrea Riccardi gegründet hat. Er wird nicht müde zu nennen, was ihn und Engagierte in nun über 70 Ländern zum Mitmachen bringt: die Menschen am Rande, die Armen und die Welt in ihrer Sehnsucht nach Frieden. Für beides ist die Bewegung im Einsatz. Diplomatische Erfolge in Krisenherden, die Einrichtung von humanitären Korridoren für Geflüchtete, der Einsatz weltweit für ein Todesstrafen-Moratorium, dafür steht die Gemeinschaft Sant‘ Egidio. Friedensarbeit wie Armutsbekämpfung: Für beides lohnt es sich einzusetzen, weil sich doch „alles ändern kann“, so hat es Andrea Riccardi formuliert.

Keine prominente Namen, dafür Expert:innen

Auf 20 Foren wird gearbeitet zu Demokratie, Migration, Globalisierung, Kinderrechten, zu Kriegsfolgen, auch in ökologischer Hinsicht. Organisiert von einem Netzwerk von Freiwilligen. Regierungsverantwortliche und Personen, deren Namen nicht täglich in den Zeitungen stehen, nehmen daran teil, wie der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz Pinchas Goldschmidt oder der Sondergesandte des Papstes für die Ukraine und Russland, Kardinal Matteo Zuppi. Daneben auch Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen und Köpfe aus Nichtregierungsorganisationen, etwa Cécile Duflot von Oxfam.

Oppositionsgruppen aus Belarus und dem Iran fehlen

Treffen kann man auch die Polit-Aktivistin Latifa Ibn Ziaten, die nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes durch einen islamistischen Attentäter eine Bildungsinitiative gegründet hat. Auf einem Forum Studierender werden Zohra Sarabi aus Afghanistan und Olga Makar aus der Ukraine sprechen. So, wie die Foren besetzt sind, lässt das Menschen aus den Ländern vermissen, in denen gegen die Terror-Regime opponiert wird. Ich denke an die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Freiheit, die viele nicht aufgeben lässt in Belarus und im Iran. Ich denke an die europäische Situation, an die heiß diskutierte Rolle unseres Landes in der Verteidigung der Ukraine. Wird in den Begegnungen auch dafür Platz sein und wird das Friedenspotenzial der Religionen spürbar für mehr Menschen als die bisher Engagierten?

Wenige Frauen als Friedensstifterinnen

Ich erwarte, dass sehr genau benannt wird, inwiefern konkrete Schritte im aktiven Vorbereiten etwa von Waffenstillstandslösungen gegangen werden. Es darf nicht nur ein allgemeines Thematisieren global definierter Sicherheit geben. Friedensarbeit verlangt Konkretion. Die Kraft der Frauen als Friedensstifterinnen kann nicht hoch genug geschätzt werden. Auf den Foren sind die Frauen in vergleichsweise kleiner Zahl vertreten. Wenn die Menschen am 12. September zum Abschluss am Brandenburger Tor zusammenkommen und ein Zeichen für den Frieden in der Nachbarschaft und weltweit setzen, dann muss das eine Geste des Empowerments jener sein, die schon viel zu viel verloren haben in Krieg und Flucht. Dass der Tötungswahn aufhört, braucht es viele, die mitmachen.

Programm des Weltfriedenstreffens

Sonntag, 10. September, 16:30 Uhr Eröffnungszeremonie in der Verti Music Hall,

Montag, 11. September, ab 9.30 Uhr & ab 16 Uhr Foren an diesen Orten: Allianz Forum, Axica, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Französische Friedrichstadtkirche, Hilton Hotel Berlin, Humboldt Carré,

Dienstag, 12. September, 9.30 Uhr Foren (wie oben), 17 Uhr Gebete für den Frieden – an verschiedenen religiösen Orten,18 Uhr Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor. Dort wird ein Friedensappell der Weltreligionen verlesen.

Kostenlos teilnehmen kann man nach Anmeldung auf www.santegidio.org in Präsenz und Online (Streaming).

Christina-Maria Bammel ist Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz