Weltfrauentag: In Sachen Gleichstellung ist Spanien Vorreiter

Spaniens Frauen haben bei der Gleichstellung und beim Kampf gegen Gewalt an Frauen viel erreicht. Doch die Einheit ist zerbrochen – wegen ein neues Trans-Gesetzes.

Am Frauentag 2020 gehen diese Demonstrantinnen in Palma de Mallorca auf die Straße
Am Frauentag 2020 gehen diese Demonstrantinnen in Palma de Mallorca auf die StraßeImago / Nikito

Angela Jaime de Pablo ist unentschlossen. Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, gehen wieder mehrere hunderttausend Frauen in den spanischen Städten auf die Straße. Doch welcher Demonstration sie sich anschließen soll, ist sich Frauenrechtlerin Jaime de Pablo vom feministischen Juristinnenverband Themis nicht sicher. Denn die Bewegung ist gespalten: In Feministinnen, die Transfrauen als Frauen in ihren Reihen akzeptieren, und solche, die damit Schwierigkeiten haben. In Madrid demonstrieren sie jetzt zum zweiten Mal getrennt.

Dabei können die Spanierinnen stolz sein. In den vergangenen 30 Jahren haben sie viele andere Länder in der Europäischen Union in Gleichstellungsfragen überholt. Dem Statistischen Bundesamt zufolge ist der sogenannte Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, in Spanien mit neun Prozent nur halb so groß wie in Deutschland, wo Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen als Männer.

Frauenquoten angekündigt

Zum Weltfrauentag am 8. März hat Ministerpräsident Pedro Sánchez ein Gesetz angekündigt, das Frauenquoten in Politik und Unternehmen festlegen soll – 50 Prozent in den Parlamenten und 40 Prozent in Regierung und Verwaltungsräten der großen Unternehmen. Zurzeit sind in Spanien 33,3 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt, in Deutschland 29,2 Prozent. Im Gleichstellungsindex des European Institute for Gender Equality liegt Spanien bei 74,6 von 100 Punkten, Deutschland kommt auf 68,6 Punkte. 42,7 Prozent der Abgeordneten im spanischen Parlament sind gegenwärtig Frauen.

Für Angela Jaime de Pablo ist vor allem ein Name ausschlaggebend, wenn sie nach den Gründen für die starke Frauenbewegung und den ausgeprägten Feminismus in Spanien gefragt wird: Ana Orantes. Die verzweifelte Andalusierin suchte 1997 Hilfe im spanischen Fernsehen. Der Mann, von dem sie geschieden war, mit dem sie aber auf richterlichen Beschluss das Haus teilen musste, misshandele sie und bedrohe sie regelmäßig. Der Mann wurde zwar immer wieder deswegen verurteilt, durfte aber im gemeinsamen Haus weiter wohnen. Zwei Wochen nach ihrem Bericht im Fernsehen übergoss er sie mit Benzin und zündete sie an. Ana Orantes starb.

Der Fall entfachte eine landesweite Debatte über Gewalt gegen Frauen. Die Kundgebungen zum Frauentag wurden immer massiver, die damalige Regierung des Konservativen José María Aznar (PP) entwickelte den ersten Aktionsplan dagegen. Psychische Misshandlungen wurden in das Strafrecht aufgenommen, Näherungsverbote ermöglicht.

"Manolo, heute machst du dir das Essen allein" – diese Frau hat eine klare Botschaft an ihren Liebsten während einer Demonstration in Palma de Mallorca am Frauentag 2020
"Manolo, heute machst du dir das Essen allein" – diese Frau hat eine klare Botschaft an ihren Liebsten während einer Demonstration in Palma de Mallorca am Frauentag 2020Imago / Nikito

2004 verabschiedete das Parlament das erste Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen. Damit wird Gewalt von Männern gegen Frauen als strukturelles Problem anerkannt und auch stärker bestraft als die Gewalt einer Frau gegen einen Mann. Sondergerichte wurden eingerichtet, auf den Polizeiwachen sind Beamtinnen und Beamte zum Schutz misshandelter Frauen abgestellt. Bei der Polizei ermittelt ein Algorithmus das Gefährdungspotential einer Frau. Trotzdem ist die Zahl der von Partnern und Ex-Partnern getöteten Frauen weiterhin hoch. Als diese Statistik 2004 eingeführt wurde, waren es 72, im letzten Jahr immer noch 49 tote Frauen.

„Nur ja heißt ja“

Gleichstellungsministerin Irene Montero von der linksgerichteten Partei Podemos hat im Februar zudem noch die Verabschiedung weiterer Gesetze im Parlament gefeiert: Die bereits seit 2010 geltende Fristenlösung im Abtreibungsrecht, nach der Schwangere bis zur 15. Woche abtreiben dürfen, gilt nun auch für junge Frauen ab 16 Jahren. Frauen können sich zudem bei starken Regelschmerzen künftig krankschreiben lassen.

Und das Gesetz über sexuelle Nötigung wurde reformiert. Seither gilt nicht mehr: „Nein heißt nein“, sondern „Nur ja heißt ja“: Ohne ausdrückliche Zustimmung werden sexuelle Übergriffe als Vergewaltigung betrachtet. Das gilt beispielsweise auch, wenn das Opfer eine Handlung aus Angst geschehen lässt.

Streit um Transmenschen

Was den Feminismus aber spaltet, ist das neue sogenannte „Trans-Gesetz“. Denn seit zwei Wochen können auch in Spanien Transmenschen die Eintragung ihres Geschlechts im Standesamt ändern lassen, und zwar ohne die bislang dafür vorgeschriebene Hormonbehandlung, einen chirurgischen Eingriff oder einen ärztlichen Nachweis.

Manche Feministinnen sehen damit infrage gestellt, was eigentlich eine Frau sei. Sie befürchten, Männer könnten im Sport an Frauenwettbewerben teilnehmen, in Restaurants und Diskotheken Frauentoiletten oder in Sportstätten die Umkleidekabinen für Frauen aufsuchen. Auch Juristin Angela Jaime de Pablo ist sich in dieser Frage unschlüssig: „Ich finde es unerträglich, dass Transfrauen wie bislang in Männergefängnisse kommen. Auf der anderen Seite kann es auch nicht sein, dass sich ein Vergewaltiger im Standesamt zur Frau erklärt und seine Strafe in einem Frauengefängnis verbüßt.“

So weiß sie nicht so recht, an welcher Demonstration sie am 8. März teilnehmen soll. An der Kundgebung, an der auch Transmenschen teilnehmen, oder bei den Gegnerinnen des neuen Gesetzes, die zudem auch ein Verbot der Prostitution als eine Form von struktureller Gewalt gegen Frauen fordern, während die andere Gruppe von Sexarbeiterinnen spricht. Die Einheit sei bislang die Stärke des spanischen Feminismus gewesen, sagen manche Frauen besorgt und lösen das Dilemma auf ihre Weise: Sie wollen den Kundgebungen ganz fernbleiben.