“Welke Rosen, reife Frucht”

„Es knospt unter den Blättern, das nennen sie Herbst.“ So hat die Poetin Hilde Domin die Jahreszeit gesehen, die am 22. September begonnen hat. Denn wenn die Blätter von den Bäumen gefallen sind, werden schon kleine Knospen für das neue Frühjahr angelegt. Und Detlev von Liliencron dichtete: „Pfirsich an der Gartenmauer, Kranich auf der Winterflucht. Herbstes Freuden, Herbstes Trauer, welke Rosen, reife Frucht.“

Der Herbst mit seinen vollen Obstbäumen, dem besonderen Licht der tief stehenden Sonne und dem Morgennebel vor Beginn des dunklen Winters ist nicht nur für Literaten eine ganz besondere Jahreszeit. „Die existentielle Erfahrung des Herbstes ist nicht das Privileg des Dichters“, so schreibt der Gartenkolumnist Stefan Rebenich in seinem Buch „Der kultivierte Gärtner“.

Entgegen allen Klischees ist er auch voller Leben im Garten: Schmetterlinge, vor allem die Admirale, lieben süßes Fallobst, Wespen ebenfalls. Früchte mit Pilzbefall sollte man allerdings aufsammeln und in der Mülltonne entsorgen, damit sich die Pilzsporen nicht weiterverbreiten können. Beginnt dann auch das Laub zu fallen, sollte es mit einem Rechen vom Rasen gefegt werden, damit die Gräser darunter nicht faulen. Laubsauger töten Frösche und Igel sowie Insekten. Unter Obstbäumen nutzen Regenwürmer allerdings auch liegen gelassenes Laub, das sie in ihre Röhren hinabziehen, um es zu verspeisen, zu verdauen und damit den Boden zu düngen.

Stieglitze und andere Samenfresser unter den Vögeln wissen verblühte Sonnenblumen zu schätzen. Man sollte sie stehen lassen und nicht beschneiden, denn ihre Samen sind viel wert als Nahrungsquelle. Auch die Wilde Karde, die im Sommer als lila blühende Strukturpflanze die Hummeln ernährt hat, schmeckt im Spätherbst und Winter den Distelfinken.

Wenn die Eberesche, auch als Vogelbeere bekannt, orangerot fruchtet, geht der Sommer endgültig zur Neige, und die Jungspinnen schwingen sich an Seidenfäden in die Ferne. Für kleine Gärten bietet sich laut Rebenich die Herbsteberesche (Autumn spire) an, mit säulenförmigem Wuchs und orangeroten Blättern samt gelben Früchten. Jetzt lodert auch der Wilde Wein an der Hauswand empor, im späten Winter und Vorfrühling retten seine Früchte die Amseln vor dem Verhungern.

Und wie es die Dichterin Hilde Domin tut, kann man auch im Garten im Herbst schon an das Frühjahr denken: Es ist die Zeit, Zwiebeln von Tulpen, Krokus oder Narzissen zu setzen und Bäume und Büsche zu pflanzen. Der Naturschutzbund Deutschland empfiehlt Gehölze, die den Vögeln als Bankett dienen: etwa das – für Menschen giftige – Pfaffenhütchen mit seinen rosa Früchten, die aussehen wie altertümliche Kardinalsmützen, und die Berberitze, die kleine Singvögel mit roten Früchten lockt und zugleich mit ihren Stacheln vor größeren Räubern schützt.

Alle diese Pflanzen sind mit ihrer Blattfärbung eine Augenweide. Weiter lässt sich die Ästhetik des Herbstgartens mit dem Japanischen Feuerahorn steigern. Gräserstauden blühen und erobern den Garten mit ihren Samen, wie das Diamant-Reitgras. Herbstanemonen, kombiniert mit rötlichem Lampenputzergras, ziehen späte Bienen an.

Wer im Spätherbst die Knollen gefüllter Dahlien aus der Erde nimmt, um sie im nächsten Frühjahr wieder einzusetzen, sollte überlegen, ob nicht ungefüllte oder noch besser Astern sinnvoller wären. „Bei vielen Gartenbesitzern haben sie einen schlechten Ruf, da einige dazu neigen, sich auszubreiten“, warnt die Gartenhistorikerin und Gartenplanerin Isabelle van Groeningen in ihrem Buch „Die sieben Jahreszeiten“. Aber Astern sind eine späte Bienenweide. Und gefüllte Blüten bieten Tieren weder Nektar noch Pollen an.

Für den Dichter Liliencron waren Astern die Boten des kommenden Winters: „Astern blühen schon im Garten, schwächer trifft der Sonnenpfeil. Blumen, die den Tod erwarten durch des Frostes Henkerbeil.“ Theodor Storm sah den Herbst etwas handfester: „Und sind die Blumen abgeblüht, so brecht der Äpfel goldne Bälle; hin ist die Zeit der Schwärmerei, so schätzt nun endlich das Reelle!“ Und Goethe formulierte noch kürzer: „Über Rosen lässt sich dichten, in die Äpfel muss man beißen.“