Weil es nicht nur um Fußball geht

Der FC Schalke 04 ist für viele ein Inbegriff von Gemeinschaft und Toleranz. UK-Herausgeber und Schalke-Mitglied Bernd Becker fordert von Vereins-Chef Clemens Tönnies nach dessen abfälligen Bemerkungen über Menschen in Afrika: Tun Sie Buße!

Sehr geehrter Herr Tönnies,

in der Öffentlichkeit wurden Ihre Äußerungen in Paderborn sowie die Reaktion der Fans und der Medien breit und kontrovers diskutiert. Dies hat mich dazu bewogen, diesen offenen Brief an Sie zu richten.
Seit 40 Jahren bin ich Fan des FC Schalke 04, seit vielen Jahren auch Mitglied. In all den Jahren gab es viele Hochs und Tiefs.

Diesmal geht es aber nicht um fußballerische Belange, sondern um Themen mit großer gesellschaftlicher Bedeutung und Wirkung. Sie haben sich abfällig über die Bewohnerinnen und Bewohner eines ganzen Kontinents, nämlich Afrika, geäußert. Dafür haben Sie sich zwar später „bei den Fans, Mitgliedern und Freunden des FC Schalke 04“ entschuldigt. Sie haben betont, Sie stünden „1000-prozentig“ hinter den Vereinswerten. Dazu gehöre der Einsatz gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung. Sie selbst haben Ihre Sätze als „falsch, unüberlegt und gedankenlos“ bezeichnet.

Was ich aber als Christ, als Mitglied des FC Schalke und als Bürger einer offenen Gesellschaft schwierig finde: Nicht ohne Grund unterstellen Ihnen viele Kritiker, dass Sie die Aussagen beim Tag des Handwerks nicht unüberlegt ausgesprochen haben. Sie waren vielmehr Teil einer vorbereiteten Rede.
Und wie kommt man spontan und „unüberlegt“ zu der Auffassung, „die Afrikaner würden aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“, wenn man dort „jährlich 20 Kraftwerke finanziert“?!

Hand auf‘s Herz: So etwas rutscht einem nicht raus. Man ist davon überzeugt, wenn man es in einer öffentlichen Rede äußert.
Inhaltlich ist das an sich schon schwierig und – wie viele Fachleute bestätigen – an den wirklichen Problemen des Klimawandels vorbei.

Noch schlimmer ist die Wortwahl. Sie ist herablassend, chauvinistisch, diskriminie-rend und meines Erachtens auch rassistisch. Niemand glaubt, dass Sie damit etwa weiße Südafrikaner gemeint hätten. Nein, Sie würdigen die Bewohnerinnen und Bewohner eines ganzen Kontinents und damit auch Menschen einer bestimmten Hautfarbe herab.

Und die Folgen Ihrer Aussagen sind jetzt schon zu spüren. Menschen fühlen sich ermutigt, selbst wieder freier in abfälliger Weise über Schwarze zu sprechen. Ich erspare Ihnen und mir Beispiele dazu aus dem Netz. Schlimm genug, wie viele Ihnen beipflichten, im Sinne von: „Er hat doch Recht. Darf man sowas nicht mehr sagen?“
Das können Sie durch Ihre schlichte Entschuldigung nicht mehr zurückholen. Das ist jetzt schon das Tragische an Ihren Worten.

Politische Äußerungen, die vor Kurzem noch als gesellschaftlich inakzeptabel galten, werden wieder salonfähig. So wie insgesamt rechtspopulistisches Gedankengut immer weiter in die Mitte der Gesellschaft rückt. Dazu tragen Sie bei – gewollt oder ungewollt.

Nicht nur ich finde es zudem verhängnisvoll, im Blick auf die Kultur in den Fußballstadien. Fremdenfeindlichkeit trat und tritt gerade dort zeitweise immer wieder offen zu Tage. Darunter hatten nicht nur Spieler des FC Schalke 04 zu leiden.
Dagegen haben Fan-Initiativen und Vereine Maßnahmen zur Bekämpfung des Rassismus im Fußball ergriffen. Ich persönlich war immer stolz darauf, wie deutlich Schalke sich schon seit den 90er Jahren entsprechend positioniert hat.

All diese Bemühungen nehmen nun durch Ihre Einlassungen erheblichen Schaden. Ist es tatsächlich so, wie in einem Kommentar zu lesen war, dass die Fankurven es verinnerlicht haben, nicht aber manche Schalker auf den Haupt- und Ehrentribünen?
Nach der Sitzung des Ehrenrates lassen Sie nun Ihr Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrates für drei Monate ruhen. Das kann es aber nicht gewesen sein. Dafür tragen Sie für den Fußball und die Gesellschaft eine viel zu große Verantwortung. Aus meiner Sicht wäre Ihr Rücktritt der richtige Schritt.

Was ich aber viel wichtiger finde: Wenn Sie Ihre Aussagen tatsächlich bereuen, dann zeigen Sie es! Reue und Buße sind ja durchaus christliche Kategorien. Da ist es aber nicht mit Ihrer knappen schriftlichen Entschuldigung getan.
Sie müssten ein Zeichen setzen. Machen Sie es wieder gut, soweit das geht. Erläutern Sie öffentlich, wie Sie denken, was falsch gelaufen ist, warum es gefährlich ist, so zu sprechen, wie Sie es getan haben.

Rütteln Sie die Menschen auf, insbesondere jene, die sich am rechten Rand bewegen. Zeigen Sie Flagge, positionieren Sie sich gegen jegliches abwertendes Denken Menschen anderer Hautfarbe oder Nationalität gegenüber.
Werden Sie vom Saulus zum Paulus. Glaubhaft. Vielleicht zeigen Ihnen die Fans und weite Teile der Gesellschaft dann nicht mehr die rote Karte.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Becker

Geschäftsführender Direktor des Evangelischen Presseverbandes für Westfalen und Lippe und Herausgeber dieser Zeitung UK.