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Wehrdienst-Streik: “Bevor ich eine Waffe anfasse, bringe ich mich um”

„Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze“ steht auf einem großen Banner, das Teilnehmende eines Demonstrationszugs durch die Kochstraße in Berlin tragen. Von 3.000 überwiegend jungen Menschen spricht die Polizei am Freitagnachmittag, die durch den Stadtteil Kreuzberg ziehen. Am Vormittag hatte der Bundestag das neue Wehrdienstgesetz verabschiedet: Alle 18-jährigen Männer werden ab dem kommenden Jahr einen Fragebogen zur Vormusterung beantworten müssen.

Bereits um 12 Uhr hatten sich die Teilnehmenden am Halleschen Tor versammelt, zu einer Zeit, zu der für die meisten die Schulpflicht gilt. Nicht allen Eltern ist das ein Dorn im Auge, Anne Hackenberger ist sogar extra aus dem brandenburgischen Eberswalde mit ihren Söhnen angereist: „Ich als Mutter möchte in keinster Weise, dass meine Söhne in kriegerische Handlungen verwickelt werden.“

Sie sei kriegskritisch aufgewachsen. Auch wenn das neue Wehrdienstgesetz nicht die Wehrpflicht wieder in Kraft setzt, gebe es „zu viele Ungewissheiten“. Ihr 16-jähriger Sohn Lias stimmt zu: „Ich habe keine Lust auf Krieg und dass ich dann an die Front gehen muss.“ Noch drastischere Worte wählt Alex, 23, der gerade die Ausbildung abschließt. Er sei für seinen jüngeren Bruder da, erklärt er: „Bevor ich eine Waffe anfasse, bringe ich mich um.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Freitagvormittag im Bundestag erklärt, er finde es „übrigens großartig“, dass die jungen Menschen auf die Straße gegen das Gesetz gehen, welches ja gerade ihm mehr potenzielles Personal verschaffen soll. Das zeuge von Interesse und Engagement der Schülerinnen und Schüler, und dass sie wüssten, „worum es geht“.

Das beweist auch die 13-jährige Kami. „Ich persönlich finde es falsch, wenn Erwachsene entscheiden, was wir tun sollen.“ Auf ihrem Plakat steht: „Zwang macht keinen Frieden“. Ob sie nicht Schule hätten? „Unsere Lehrer unterstützen uns ziemlich krass dabei“, erklärt die 15-jährige Mascha. Eigentlich hätte sie zwei Leistungskontrollen an dem Tag, aber die dürfe sie nachschreiben. Ihre Freundin Maimuna hat Unterstützung von ihrer Mutter bekommen. Die 14-Jährige habe der gesagt, dass sie am Freitag streiken gehen wolle. „Dann musst du aber auch auf die Demo“, habe ihre Mutter verlangt.

Bis zum Nachmittag verlief diese störungsarm, wie ein Polizeisprecher sagt, vier Festnahmen habe es gegeben. Am Kreuzberger Oranienplatz sollte die Versammlung ab 16 Uhr zu einer „Demo für Alle“ werden.