Was kann man auf Stammtischparolen entgegnen?

Gelassen und intelligent reagieren, wenn plakative Meinungen geäußert werden: Das ist nicht einfach. Man kann es aber trainieren – etwa mit Kursen an der Volkshochschule oder mittels der App “Konterbunt”.

“Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg”, “Heutzutage muss man behinderte Kinder doch nicht mehr auf die Welt bringen” oder auch “Frauen gehören an den Herd”: Wie reagiert man auf Stammtischparolen dieser Art?

Klaus-Peter Hufer ist Professor für politische Bildung an der Universität Duisburg-Essen und hat zum Thema mehrere Bücher veröffentlicht sowie zahlreiche Workshops gegeben. Er sagt: “Auf jeden Fall ist es wichtig, überhaupt zu reagieren. Wer schweigt, stimmt zu.” Dabei gehe es auch darum, nicht nur die Person, die sich diskriminierend geäußert habe, zu erreichen – sondern auch diejenigen, die stumm dabeisitzen. Es sei wichtig, Zivilcourage zu zeigen und den eigenen Standpunkt klar zu machen. “Eine Demokratie kann auch vergehen”, warnt er.

Wenn solche Sätze auf einen einprasseln, sei es mitunter schwierig, kühl und sachlich zu reagieren – besonders wenn auf der anderen Seite “so etwas affektiv rausgehauen” werde. “Es macht aber nichts, wenn man dann auch emotional wird – dann zeigt man, dass man authentisch echt und keine rhetorische Maschine ist”, so Hufer.

Wichtiger sei es, sich nicht in eine Argumentationsschleife hineinzubegeben. “Wir leben im Zeitalter der Faktenleugnung, es gibt Verschwörungsbehauptungen und die dann aufzulösen, wenn sie womöglich im Laufe eines Lebens aufgebaut wurden, funktioniert nicht”, sagt Hufer. “Aber man kann Irritation erzeugen.”

Ein erster Schritt sei, “in einer solchen Situation die Verallgemeinerung aufzulösen und das kollektive ‘die’ – ‘die Migranten’, ‘die Politiker’ – zu enttarnen”, sagt Hufer. Dabei könne es hilfreich sein, Gegenfragen zu stellen. “Man kann zum Beispiel fragen, warum derjenige so aggressiv reagiert – etwa sagen: ‘Wieso sagst du das – ist deine eigene Person gefährdet? Hat man dir die Wohnung weggenommen oder den Arbeitsplatz?'” Oder man könne versuchen, denjenigen nach konkreten Lösungen zu fragen: “Was schlägst du vor?”

Zudem sei es wichtig, die Person nicht gleich grundsätzlich negativ zu bewerten, sondern sie zunächst einmal zu akzeptieren – im Sinne von: “Ich kann dich als Person annehmen und widerspreche Dir trotzdem – gerade weil ich dich ernst nehme.” Dies gelinge im Familienkreis leichter als in Diskussionen mit unbekannten Personen.

“Stammtischparolen können uns überall begegnen, sie werden manchmal offen und manchmal weniger offen formuliert. Und sie verändern sich auch”, sagt Politikwissenschaftler Mikis Rieb von der Landeszentrale für politische Bildung in Niedersachsen. Er hat die App “Konterbunt” mitentwickelt. Damit könne man üben, auf Vorurteile und menschenverachtende Aussagen schnell, schlagfertig und überzeugend zu reagieren.

“Es geht darum, Menschen spielerisch in eine solche Situation zu versetzen, damit sie sich darauf vorbereiten können, wenn sie das nächste Mal mit Parolen konfrontiert werden”, erklärt Rieb. Der Vorteil gegenüber einer Broschüre sei, dass man die App über sein Smartphone schnell zur Hand und damit auch leicht Tipps und Tricks parat habe.

Über ein “Parolenverzeichnis” können Nutzer nachschauen, zu welchen Themen sie sich über kursierende Parolen informieren möchten – über Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder Behindertenfeindlichkeit zum Beispiel. Ein “Strategieguide” gibt allgemeine Empfehlungen. Dass man etwa in der Diskussion nicht belehren solle, weil das überheblich wirke und zur Abschottung führe. Stattdessen könne man Witz und Ironie einbringen.

Auch Bildungsexperte Hufer wendet sich gegen eine Ausgrenzung: “Die AfD ist eine rechtsextreme Partei. Ihre Wähler sind aber bei weitem nicht alle rechtsextrem. Das sind Menschen, die vielleicht auch wegen ihrer Lebensverhältnisse so gewählt haben, wie sie gewählt haben.” Es sei wichtig, mit ihnen im Gespräch zu bleiben.

Grundsätzlich macht er eine zunehmende Verrohung in der Gesellschaft aus – die Grenze des Sagbaren habe sich verschoben. Und: Verbale Angriffe könnten tätliche Gewalt nach sich ziehen. Ausländer, Obdachlose oder Menschen mit Behinderung würden mit menschenverachtenden Äußerungen markiert – im Sinne von: “Die sind anders, die haben sich nicht angepasst und die gehören nicht hierher.” Dies gehe mitunter mit der Fantasie einher, sie loszuwerden, warnt er.