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Was kann die Kirche als Arbeitgeberin verlangen?

Darf die Kirche von ihren Mitarbeitenden eine Kirchenmitgliedschaft verlangen? Dazu fällt das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil. Fragen und Antworten zu dem Fall.

Das höchste deutsche Gericht muss klären, wie weit das kirchliche Selbstbestimmungsrecht reicht – und wie es sich mit dem europäischen Diskriminierungsschutz vereinbaren lässt
Das höchste deutsche Gericht muss klären, wie weit das kirchliche Selbstbestimmungsrecht reicht – und wie es sich mit dem europäischen Diskriminierungsschutz vereinbaren lässtImago / Schöning

Das Bundesverfassungsgericht will am Donnerstag eine Entscheidung über das kirchliche Arbeitsrecht verkünden. Hintergrund ist ein Fall, der mehr als zehn Jahre zurückliegt. Weil es in den Augen der Kirche um eine Frage geht, die ihr Selbstverständnis berührt, hat sie für eine grundsätzliche Prüfung das höchste deutsche Gericht angerufen. Fragen und Antworten zu dem Verfahren:

Worum geht es?
Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden, inwieweit die Kirche und ihre Institutionen von Mitarbeitenden eine Kirchenmitgliedschaft verlangen dürfen. Es geht also um ein Detail im kirchlichen Arbeitsrecht, allerdings ein besonders umstrittenes.

Wer hat geklagt?
Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung hat das Bundesverfassungsgericht angerufen, nachdem es einen Rechtsstreit mit der Berlinerin Vera Egenberger 2018 vor dem Bundesarbeitsgericht verloren hatte. Die konfessionslose Egenberger hatte sich 2012 erfolgslos bei der Diakonie um eine Referentenstelle beworben und sah sich aus religiösen Gründen benachteiligt. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit, der auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigte, sprach ihr das Bundesarbeitsgericht eine Entschädigung zu.

Geklagt hat die Berlinerin Vera Egenberger, hier im Oktober 2018 mit ihrem Anwalt vor dem Bundesarbeitsgericht
Geklagt hat die Berlinerin Vera Egenberger, hier im Oktober 2018 mit ihrem Anwalt vor dem BundesarbeitsgerichtImago / epd-bild

Was haben die Vorinstanzen entschieden?
Wesentlich für das Urteil über den konkreten Fall war das Urteil des EuGH. Er entschied im Frühjahr 2018, dass die kirchliche Einstellungspraxis jeweils „objektiv geboten“ sein muss und eine Kirchenmitgliedschaft damit nicht pauschal verlangt werden darf. Zudem hielt es im Urteil fest, dass von einem Gericht überprüft werden kann, ob die Voraussetzung einer Kirchenmitgliedschaft im Einzelfall „wesentlich“, „rechtmäßig“ und „gerechtfertigt“ sei.

Warum geht die Kirche dagegen vor?
Die Kirche sah sich durch das EuGH-Urteil in dem eingeschränkt, was sie nach dem im Grundgesetz zugestandenen Selbstbestimmungsrecht entscheiden kann: nämlich selbst zu definieren, wann eine durch Kirchenmitgliedschaft formalisierte Loyalität zur Kirche als Voraussetzung von Mitarbeitenden verlangt werden kann. Sie fühlte sich bis zum Luxemburger Urteil auch im deutschen Recht bestätigt: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet zwar eine Diskriminierung aus religiösen Gründen im Beruf, sieht dabei aber eine Ausnahme für Religionsgemeinschaften selbst vor. In das Spannungsfeld zwischen deutschem Recht und europäischer Rechtsprechung könnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun mehr Klarheit bringen.

Für wen hat die Entscheidung in Karlsruhe Bedeutung?
In erster Linie für die Kirchen und ihr Arbeitsrecht selbst. Betroffen sind aber auch viele Beschäftigte: Die evangelische und katholische Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas zählen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland.

Sind bislang alle Beschäftigten dort Kirchenmitglieder?
Nein. Wegen des seit Jahren zu beobachtenden Rückgangs der Mitgliedszahlen können etwa kirchliche Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser gar nicht mehr jede Stelle mit Kirchenmitgliedern besetzen. Die evangelische Kirche hat auch vor diesem Hintergrund ihr Arbeitsrecht inzwischen geändert. Die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche ist nur noch in bestimmten Bereiche zwingende Voraussetzung: der Verkündigung, der Seelsorge, der evangelischen Bildung und bei einer „besonderen Verantwortlichkeit für das evangelische Profil“, also etwa für Führungspositionen. Das Arbeitsrecht, das dem Fall Egenberger zugrunde lag, gilt in der Form also nicht mehr. Ob das auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Einfluss hatte, ist offen.