Artikel teilen:

Migration: Was im Bundestag ansteht

EU-Asylreform? Soll kommen. “Turbo-Einbürgerung”? Soll wegfallen. CDU, CSU und SPD treiben die Verschärfung der Migrationspolitik weiter voran – diese Woche im Bundestag.

Der Bundestag befasst sich in dieser Woche mit Migrations- und Integrationspolitik
Der Bundestag befasst sich in dieser Woche mit Migrations- und IntegrationspolitikImago / Frank Ossenbrinkj

Der Bundestag befasst sich in dieser Woche erneut mit Verschärfungen in der Migrations- und Integrationspolitik. Am Mittwoch entscheiden die Abgeordneten über die Abschaffung der “Turbo-Einbürgerung” – und am Donnerstag diskutieren sie erstmals über die Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas). Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet wichtige Fragen dazu.

Was hat es mit der “Turbo-Einbürgerung” auf sich? Und warum soll sie abgeschafft werden?
Seit mehr als einem Jahr gelten für Einbürgerungen kürzere Fristen: Im Regelfall sind sie bereits nach fünf statt zuvor nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich. Bei besonderen Integrationsleistungen ist eine beschleunigte Einbürgerung bereits nach drei Jahren möglich. Diese besonders schnelle Variante will die schwarz-rote Koalition nun wieder abschaffen. Aus Sicht von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist die von der Ampel-Regierung eingeführte “Turbo-Einbürgerung” ein Irrweg und ein sogenannter Pull-Faktor, der irreguläre Migration befördere.

Welche Reaktionen gibt es auf die geplante Wiederabschaffung?
Die Meinungen gehen auseinander: Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Winfried Kluth, etwa hält den Schritt für sinnvoll, weil damit der Eindruck eines zu leichten Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert werde. Der Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg hat hingegen davor gewarnt, dass durch die Rücknahme der Anreiz für Hochqualifizierte sinke, nach Deutschland zu kommen.

Welche Voraussetzungen gelten für eine Einbürgerung?
Um die beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren beantragen zu können, mussten Anwärter besonders gute Integrationsleistungen nachweisen, etwa in Schule oder Beruf oder im Ehrenamt. Zudem mussten Anwärter den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie finanzieren können und höhere deutsche Sprachkenntnisse nachweisen. Für die Einbürgerung nach fünf Jahren gelten niedrigere Anforderungen etwa bei den Sprachkenntnissen. Der Lebensunterhalt muss aber ebenfalls finanziert werden können.

Wie viele Menschen haben sich schon besonders schnell einbürgern lassen?
Eine verlässliche Gesamtzahl für Deutschland ist bislang nicht bekannt. Recherchen verschiedener Medien bei Ländern und größeren Städten zufolge lagen die Zahlen aber in einem sehr niedrigen Bereich. Trotz Rekordeinbürgerungszahlen im vergangenen Jahr meldeten manche Bundesländer demnach nur eine einstellige Zahl von “Turbo-Einbürgerungen”, andere eine zweistellige und nur Berlin erreichte eine dreistellige. Insgesamt lag der Anteil besonders schneller Einbürgerungen damit vermutlich bei weniger als einem Prozent.

Worum geht es bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems?
Die EU-Asylreform sieht unter anderem einheitliche Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor – mit dem Ziel, Migranten gegebenenfalls direkt von dort abschieben zu können. Auch sollen Betroffene in sogenannte sichere Drittstaaten zurückgeschickt und Asylverfahren dorthin verlagert werden können. Außerdem soll das bisherige sogenannte Dublin-Verfahren geändert werden, das regelt, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines Schutzsuchenden zuständig ist. Viele kritisieren das bisherige Verfahren als dysfunktional. Die Mitgliedstaaten haben bis Juni 2026 Zeit für die Umsetzung der Reform.

Nicht nur an deutschen Grenzen, sondern auch an EU-Außengrenzen soll kontrolliert werden
Nicht nur an deutschen Grenzen, sondern auch an EU-Außengrenzen soll kontrolliert werdenImago / Sabine Gudath

Was sagen Kritiker zu der geplanten Umsetzung in Deutschland?
Flüchtlings- sowie Menschen- und Kinderrechtsorganisationen warnen davor, dass damit künftig reihenweise Geflüchtete in zumindest zum Teil geschlossenen Zentren quasi inhaftiert werden könnten. Eine neue Form von De-facto-Haft könnte auch Familien mit Kindern betreffen, befürchten etwa Pro Asyl, Amnesty International oder das Deutsche Kinderhilfswerk. Die Gesetzentwürfe zur Umsetzung der Geas-Reform sehen Möglichkeiten zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit sowie zur Haft vor.

Wird in Europa nicht schon längst über die Reform der EU-Asylreform diskutiert?
Nicht nur in Europa, auch in Deutschland betont Innenminister Dobrindt bei jeder Gelegenheit, dass er die Reform “härten und schärfen” wolle. Zuletzt sprach er darüber mit mehreren Amtskollegen am vergangenen Samstag in München. Ein Punkt, der dabei im Fokus steht, ist das sogenannte Verbindungselement: Es besagt, dass Migranten eine Verbindung zu dem Drittstaat haben müssen, in den sie abgeschoben werden oder in den ihr Asylverfahren verlagert wird. Dieses Element wollen CDU, CSU und SPD ausweislich ihres Koalitionsvertrags streichen. Auch andere EU-Staaten sind dafür.

Wie ist der aktuelle Stand auf europäischer Ebene?
Die EU-Kommission hat im Mai bereits vorgeschlagen, dass die Verbindung Betroffener zu Drittstaaten künftig nicht mehr obligatorisch sein soll. Demnach könnte schon die Durchreise durch einen als sicher angesehenen Drittstaat ausreichen. Zudem könnten Migrationsabkommen und -vereinbarungen mit anderen Staaten dafür sorgen, dass eine Abschiebung dorthin möglich wäre – sofern eine Prüfung des Asylantrags sichergestellt ist. Mit den Änderungen müssen sich das Europäische Parlament und der Europäische Rat aber noch befassen. Das gilt ebenfalls für ein neues Gemeinsames Europäisches Rückkehrsystem, das die Kommission im März für mehr und schnellere Abschiebungen vorgeschlagen hat.