Warum Social Media keinen negativen Einfluss auf unsere Sprache hat

Die Linguistin Jasmin Krukenberg erklärt, warum Rufe nach einem Sprachverfall unbegründet sind und worum es bei der Kommunikation auf Facebook und WhatsApp wirklich ankommt.

Chat-Emojis ersetzten sie Gestik und Mimik aus direkten Gesprächen
Chat-Emojis ersetzten sie Gestik und Mimik aus direkten GesprächenImago / xim.gs

Die Linguistin Jasmin Krukenberg widerspricht der Befürchtung, dass soziale Medien das Sprachvermögen und die Rechtschreibfähigkeiten der Menschen beeinträchtigen. „Die Menschen wissen gut zu unterscheiden, ob von ihnen in Schule oder Beruf korrektes Schriftdeutsch erwartet wird oder sie mal eben schnell eine WhatsApp versenden“, sagte die Doktorandin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Aktuell gebe es keine empirischen Hinweise darauf, dass Social Media einen negativen Einfluss auf Rechtschreibung und Grammatik habe – das gelte auch für Jugendliche, sagte sie anlässlich des „Tages der deutschen Sprache“ am Samstag, 9. September. Sprachwissenschaftlich betrachtet orientierten sich Social-Media-Posts und -Chats auf Facebook, Instagram und Messengerdiensten mehr am mündlichen als am schriftlichen Sprachgebrauch, erläuterte die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Seminar der Leibniz Universität Hannover.

Rechtschreibung bei WhatsApp zweitrangig

Bei WhatsApp-Nachrichten etwa gehe es darum, sich spontan, schnell und prägnant mitzuteilen. Die Kommunikation finde im privat-vertrauten Rahmen statt, es gebe ein gemeinsames Vorwissen, auf das die Schreibenden zurückgriffen. „Normen wie korrekte Rechtschreibung und fehlerfreie Interpunktion sind da eher zweitrangig.“

Dazu komme die Autokorrektur. „Viele von uns machen die Erfahrung, dass sie nicht immer hilfreich ist, sondern auch Fehler verursachen kann.“ Beispielhaft nannte Krukenberg die automatisierte Großschreibung nach einem Punkt. Ein anderes Beispiel sei die Wiederholung von Buchstaben und Silben. Ein „Jaaaaaaa“ könne abhängig vom Adressatenkreis besondere Freude zum Ausdruck bringen, während ein normgerechtes „Ja“ eher nüchterne Zustimmung signalisiere.

„Es gibt in der Social-Media-Kommunikation Stilmittel, die orthografisch zweifelhaft erscheinen mögen, aber Sinn ergeben“, sagte Krukenberg. Ebenso wie Herz-, Lach- und Ironie-Emojis ersetzten sie die nonverbale Ebene des direkten Gesprächs: Gestik, Mimik, Intonation.

Sprache ist, was verstanden wird

„Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Sprache kein starres Konstrukt ist, sondern Wandel unterliegt“, sagte sie. Ängste, dass die Fähigkeiten der Menschen schwinden, anständig zu formulieren, grammatikalisch und orthografisch korrekt zu schreiben, seien so alt wie die Sprache selbst. Die Geschichte zeige, dass die Sprache nicht verfalle, sondern sich stetig in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der Menschen entwickle.

Folglich sei entscheidend, nicht nach richtig oder falsch zu kategorisieren, sondern stets Adressat und Kontext im Auge zu behalten. „Andere auf Social Media auf Fehler hinzuweisen, ist in Ordnung, wenn Beiträge unverständlich sind“, sagte die Linguistin. „Solange aber Beiträge das Ziel ihrer Aussage erreichen, sollte ich stets fragen, ob eine Korrektur notwendig ist oder nur vom eigentlichen Thema ablenkt.“

Krukenberg verwies auf das Vorwort des amtlichen Regelwerks. Dieses regelt die Rechtschreibung innerhalb von Institutionen wie Schule oder Verwaltung. „Für alle anderen Bereiche, so auch Social Media, erhebt das Regelwerk nicht den Anspruch der Gültigkeit.“