Warum bei Pflegekräften der Frust steigt – immer noch

Bisher ist der befürchtete „Pflexit“ zwar ausgeblieben. Doch der Frust bei Pflegekräften ist hoch. Bessere Arbeitsbedingungen könnten viele Probleme lösen.

Für wie wichtig sie ihren Pflegeberuf hält, zeigt diese Frau ganz klar
Für wie wichtig sie ihren Pflegeberuf hält, zeigt diese Frau ganz klarImago / Snapshot

Berlin. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden sie als Helden und als systemrelevant in den Himmel gelobt. Doch in der Pflege herrscht weiter schlechte Stimmung. Zwar hat sich die Tarifsituation der mehr 1,6 Millionen Pflegekräfte in Deutschland zuletzt verbessert. Doch die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen breitet sich aus, wie eine Umfrage der Betriebskrankenkassen (BKK) zeigt.

Zwar bleibt der befürchtete „Pflexit“, also eine Massenabwanderung aus den Pflegeberufen, bislang laut BKK noch aus. Die Häufigkeit des Berufswechsels ist derzeit vergleichbar mit anderen Branchen. Allerdings würde ein großer Teil (43,5 Prozent) der Befragten den Beruf als Ausbildungsberuf nicht weiterempfehlen. 43,7 Prozent glauben zudem, dass der Pflegeberuf keine hohe gesellschaftliche Anerkennung genießt.

Wenn die Pflege zum Pflegefall wird

Die Pflege als Pflegefall? Fehlende Mitsprache, mangelnde Wertschätzung in Politik, Kliniken und Heimen, Überstunden und nicht verlässliche Dienstpläne sorgen für Frust, wie auch Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, betont.

Laut BKK-Gesundheitsreport gaben mehr als 40 Prozent der Altenpflegekräfte (44,2 Prozent) sowie 40,4 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte an, dass sie sich aktuell den Anforderungen ihrer Arbeit nur teilweise oder gar nicht gewachsen sehen. Bei den sonstigen Berufen sind es nur 24,6 Prozent. Jeder vierte Beschäftigte in der Pflege denkt über einen Jobwechsel in den kommenden beiden Jahren nach. Jeder Fünfte überlegt, den Beruf ganz aufzugeben.

Bezahlung bleibt Thema

Zwei Drittel der Befragten sehen auch die Bezahlung in der Pflege als „nicht angemessen“ an. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für mehr als jeden Zweiten nur „schlecht gegeben“. Hinzu kommt, dass die Kranken- und Altenpflege durch körperlich und psychisch belastende Arbeit geprägt ist: Beschäftigte in der Altenpflege (33,2 Arbeitsunfähigkeitstage je Beschäftigten) und Krankenpflege (25,7 AU-Tage) weisen deutlich höhere Fehlzeiten auf als der Durchschnitt aller Beschäftigten (18,2 AU-Tage). Jeder vierte Beschäftigte glaubt nicht, bis zur Rente im Pflegeberuf tätig sein zu können; in der Altenpflege ist es sogar jeder dritte. Das ist mehr als in allen anderen Berufsgruppen.

Trotz aller Klagen: Die Zahl der Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege ist zuletzt weiter angestiegen. 2021 waren in Deutschland rund 1,67 Millionen Pflegekräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt, rund 44.300 mehr als ein Jahr zuvor, wie die Bundesagentur für Arbeit im Mai mitteilte. Doch das reicht bei weitem nicht: Die Krankenkasse Barmer hat ausgerechnet, dass in Deutschland bis 2030 mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen werden, auch weil es dann rund sechs Millionen Pflegebedürftige gibt.

„Gesellschaftliche Sprengkraft“

„Die desolate Personalsituation in den Pflegeberufen hat vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen gesellschaftliche Sprengkraft“, so Klapper. Doch das Problem ließe sich zumindest eingrenzen, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab: durch die Rückkehr von ausgestiegenen Pflegekräften und durch ein Aufstocken der Arbeitsstunden bei denjenigen, die aus Frust und Überarbeitung ihre Arbeitszeit verringert haben.

Die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen könnten sich eine Rückkehr in den Beruf beziehungsweise ein Aufstocken der Stunden vorstellen – sofern sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Hochgerechnet stünden danach mindestens 300.000, aber möglicherweise bis zu 600.000 Vollzeit-Pflegekräfte zusätzlich zur Verfügung. (KNA)