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Warten auf Abschiebung

Foto: An den Rand gedrängt werden vor allem die Kinder (Symbolfoto) Das Innenministerium plant, Asylverfahren in sogenannten ANKER-Einrichtungen: Zentren für Ankunft, Entscheidung und Rückführung, abzuwickeln. Bis Herbst sollen sechs Pilotzentren mit bis zu 1 500 Personen eröffnet werden. Die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg gilt als Modell. Die Mehrzahl der Bundesländer lehnt Ankerzentren ab. Ärzte kritisieren, dass die kasernierte Unterbringung bei traumatisierten Flüchtlingen zu neuem psychischen Stress führt. Das erlebt auch Pfarrerin Mirjam Elsel. Sie koordiniert die Flüchtlingsarbeit im Evangelisch-Lutherischen Dekanat Bamberg und arbeitet mit Flüchtlingen, Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden in der AEO zusammen.

Das Innenministerium plant, Asylverfahren in sogenannten ANKER-Einrichtungen: Zentren für Ankunft, Entscheidung und Rückführung, abzuwickeln. Bis Herbst sollen sechs Pilotzentren mit bis zu 1 500 Personen eröffnet werden. Die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg gilt als Modell. Die Mehrzahl der Bundesländer lehnt Ankerzentren ab. Ärzte kritisieren, dass die kasernierte Unterbringung bei traumatisierten Flüchtlingen zu neuem psychischen Stress führt. Das erlebt auch Pfarrerin Mirjam Elsel. Sie koordiniert die Flüchtlingsarbeit im Evangelisch-Lutherischen Dekanat Bamberg und arbeitet mit Flüchtlingen, Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden in der AEO zusammen.

Von Mirjam Elsel

Einfache Wohnblocks zwischen kurzgeschnittenen Rasenflächen, ein Spielplatz ist zu sehen, hier wäre in Bamberg dringend benötigter Wohnraum vorhanden. Wäre da nicht der Stacheldrahtzaun drum herum, der Checkpoint davor, wartende Menschentrauben, dazwischen Security-Personal. Der Alltag für die Menschen in der AEO besteht aus Warten: Warten auf den Bescheid, Warten auf die Abschiebung, auf das Essen, die Ausgabe von Toilettenpapier, die Meldung bei der Ausländerbehörde. Manche warten bereits über 12 Monate: in einer Massenunterkunft mit circa 1 400 anderen Frauen, Männern und Kindern aus 14 Nationen unterschiedlicher Sprachen, Religionen und Kulturen. Man wohnt zusammen. Sieben Quadratmeter stehen einer Person zur Verfügung: ohne Privatsphäre, die Räume lassen sich nicht abschließen, die Verpflegung wird zentral über die Kantine zu festen Essenszeiten für alle organisiert. Hygieneartikel und Kleidung werden als Sachleistung ausgegeben, viele erhalten keinen Cent Bargeld. Integration ist nicht vorgesehen. Der Zugang zu Deutschkursen ist eingeschränkt, Ausbildungs- und Arbeitserlaubnisse werden nicht erteilt.

Besonders schwierig ist die Situation für Kinder. Ihnen ist der Besuch der Regelschule untersagt, die provisorische Schule auf dem Gelände ist klassenübergreifend für ein paar Stunden am Tag. Für Kinder unter sechs Jahren gibt es nur ein ehrenamtlich betreutes Spielzimmer, das für wenige Stunden geöffnet hat.

Dazu kommen die Abschiebungen meist in den frühen Morgenstunden. Dabei spielen sich häufig dramatische Szenen ab vor den Augen aller Bewohner*nnen. Für alle Beteiligten bedeuten sie eine extrem angespannte Situation. Die meisten sind durch ihre Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht bereits traumatisiert, hier erfahren sie erneute Traumatisierung. Viele Menschen können nachts gar nicht mehr schlafen.

Diese Umstände zermürben die Menschen. Psychische Erkrankungen, Selbstmordversuche und Einlieferungen in die Psychiatrie nehmen zu. Hoffnungslosigkeit, Aggressivität und Gewalt unter den BewohnerInnen sind die Folge: ein Nährboden für Radikalisierung und ein enormes Konfliktpotenzial. Die bayerische Antwort darauf ist einzig noch mehr Polizeipräsenz und Security-Personal. Bei letzterem kommt es immer wieder zu Übergriffen. Dabei versucht die Leitung des Zentrums in Bamberg noch, wo es in ihrer Macht, steht, Verbesserungen umzusetzen. Aber das ändert nichts an der verzweifelten Lage der Menschen.

Kontakt zur Bevölkerung findet kaum statt. Die ist in den umliegenden Stadtvierteln stark verunsichert. Die gefühlte Bedrohung wird in jedem Gespräch mit Anwohnern deutlich. Abgesehen von Ladendiebstahl ist es noch zu keinem wirklich schlimmen Vorfall gekommen, trotzdem haben deutlich mehr Wähler*innen als im bayerischen Durchschnitt bei der Bundestagswahl der AfD ihre Stimme gegeben. Solche Zentren schüren Ängste und verstärken fremdenfeindliche Vorurteile.

Erklärtes Ziel dieser Einrichtungen ist die Beschleunigung der Asylverfahren. Mit dem Effekt, dass hier der Zugang zu Asylsozialberatung, anwaltlicher Vertretung und ehrenamtlichen Unterstützerkreisen stark eingeschränkt ist. Die Prüfung der Schutzbedüftigkeit eines Menschen ist hochkomplex. In über 40 Prozent der Fälle, in denen Flüchtlinge vor Gericht gegen einen negativen Entscheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) klagen, wird ihnen der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Dazu kommt, dass viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Es wird also viele geben, die monatelang oder sogar Jahre in einer solchen Massenunterkunft festsitzen.

Die Fokussierung auf Abschiebung geht völlig an den Herausforderungen der Flüchtlingspolitik vorbei. Diese Zentren verhindern Inte gration, sind kostenintensiv und schaffen neue Probleme und Konfliktpotenziale. Christliche Werte der Nächstenliebe und der rechtsstaatliche Grundsatz der Gleichbehandlung aller Menschen sind für diejenigen, die hier einen Schutzstatus beantragen, Fremdwörter.