Warnung vor Blindheit gegenüber Judenhass – Holocaust-Gedenktag

Die Nazis ermordeten rund sechs Millionen Juden. In das Gedenken mischt sich der Blick auf Gegenwart und Zukunft: Es geht um Judenhass heute und die Frage, wie es nach dem Tod der letzten Zeitzeugen weitergeht.

Zum Internationalen Holocaust-Gedenktag am Samstag werden Warnungen laut, nicht blind gegenüber zeitgenössischem Judenhass zu sein. Jüdische Organisationen, Kirchen und Politik riefen dazu auf, die Erinnerungskultur nicht zu einer Routine werden zu lassen, sondern mit dem Herzen dabei zu sein. Bürger sollten auch jenseits von Gedenktagen gegen Antisemitismus eintreten und sich der Geschichte bewusst sein.

Am Freitag veröffentlichte der Zentralrat der Juden in Deutschland ein Positionspapier zu Erinnerungspolitik und Gedenkstättenarbeit, um die jüdische Perspektive in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Darin geht es unter anderem um die Arbeit von Gedenkstätten und ihre Rolle als authentische Orte, wenn nach dem Tod der letzten Zeitzeugen niemand mehr aus erster Hand über die NS-Verbrechen berichten kann. Auch sollten regionale Gedenkorte entwickelt und unterstützt werden. Und: „Der Staat hat für die finanzielle Absicherung der Sanierung und Instandhaltung der Gedenkstätten Sorge zu tragen.“ Auch wird in dem Dokument die Einzigartigkeit der Schoah unterstrichen, die nicht mit anderen Völkermorden gleichgesetzt werden dürfe. Der Holocaust stehe darüber hinaus einem Gedenken an Kolonialverbrechen nicht entgegen.

Zentralratspräsident Josef Schuster hob die Rolle digitaler Medien in der Erinnerungskultur hervor; sie eröffneten neue Chancen: „Digitales Geschichtslernen kann vor allem jungen Menschen den Zugang zum Thema erweitern. Bestehende Ausstellungen sollten dahingehend überarbeitet werden.“ Zugleich dürften Soziale Plattformen im Internet kein rechtsfreier Raum für Antisemitismus sein.

Orthodoxe Rabbiner in Deutschland und Europa warnen unterdessen davor, den Antisemitismus, mit dem Jüdinnen und Juden heute konfrontiert seien, aus dem Blick zu verlieren. Ähnlich äußerte sich auch die Initiative kulturelle Integration. Die Worte „Nie wieder“ dürften nicht zu einer Phrase verkommen, mahnte der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt.

Der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland lenkte den Blick auf jüngste Proteste: „Es ist gut, dass sich mit Blick auf die jüngsten Demonstrationen gegen Rechts endlich etwas in unserem Land tut und nicht länger geschwiegen wird. Die Zivilgesellschaft in Deutschland steht gegen die drohende Dunkelheit der Populisten, Extremisten und Rassisten auf. Das ist ein Anfang. Doch die Demonstrationen sind noch keine Trendwende.“ Nötig seien eine dauerhafte klare Haltung und Stimme.

Die Erinnerung an den Holocaust darf nach Worten des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, „nicht zur Routine erstarren“. In diesem Jahr stehe der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Zeichen der alle Generationen betreffenden Aufarbeitung des Holocaust. „Die Erinnerungskultur, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland und Europa gebildet hat, ist nichts Statisches.“ Jede Generation müsse sich immer wieder neu mit dem Holocaust, seiner Vorgeschichte und seinen Folgen auseinandersetzen.

Jeweils am 27. Januar wird weltweit der Opfer des Holocaust gedacht. Das Datum erinnert an die Befreiung der überlebenden Häftlinge des größten NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945. Mit Veranstaltungen sowie Aktionen im Internet wird daran erinnert, etwa mit der Kampagne #weRemember, an der der Jüdische Weltkongress beteiligt ist. Die Gedenkstunde im Bundestag in Berlin am Mittwoch steht im Zeichen der generationenübergreifenden Aufarbeitung des Holocausts.