Argentinien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Der Ausgang ist wegweisend für die künftige Politik des libertären Präsidenten Milei. Die katholischen Armenpriester rufen im Vorfeld zu einem Kurswechsel auf.
Die argentinischen Kongresswahlen für Abgeordnetenkammer und Senat entscheiden am Sonntag darüber, in welche Richtung sich das südamerikanische Krisenland in den nächsten beiden Jahren entwickeln wird. Für Javier Milei steht zur Halbzeit seiner vierjährigen Präsidentschaft viel auf dem Spiel. Wenige Wochen nach der krachenden Niederlage beim Urnengang in der bevölkerungsreichen Provinz Buenos Aires braucht der libertäre Politiker unbedingt ein passables Ergebnis, um seine Reformpolitik fortzusetzen.
Die Chancen dafür stehen laut dem Umfrageinstitut CB Consultora nicht schlecht. Die Meinungsforscher sehen Mileis Partei auf nationaler Ebene als stärkste Kraft. “Es geht um Pro oder Contra Javier Milei”, sagt der Demoskop Cristian Buttie. Der Stimmenzuwachs sei auf eine Mobilisierung jener Wähler zurückzuführen, die einen Sieg der linksgerichteten Opposition verhindern wollten. Die hatte bei den Provinzwahlen in Buenos Aires einen überraschend deutlichen Sieg errungen. Nun aber geht es um den Kurs des ganzen Landes – und nicht nur um einen Denkzettel für Milei, gegen dessen engstes Umfeld es zuletzt Korruptionsvorwürfe gab. Und da wollen offenbar viele Argentinier keinen Weg zurück zu den alten, desolaten Zuständen.
Milei kann auch auf die Rückendeckung seines politischen Verbündeten Donald Trump setzen. Die US-Regierung stellte Finanzhilfen in Aussicht, sollten die Libertären die Wahlen am Wochenende gewinnen. Bei einer Niederlage allerdings will sich Washington zurückziehen. Die Opposition wirft den USA daher vor, sich auf unzulässige Weise in die Wahlen einzumischen. Die Bewegung “Evita” – benannt nach der legendären Evita Perón – plakatierte: Argentinien sei nicht zu verkaufen.
Die politisch traditionell linksgerichteten katholischen Armenpriester meldeten sich ebenfalls mit einer Botschaft vor den Wahlen zu Wort. Die aktuellen Probleme ließen sich nur durch eine bessere Politik lösen, nicht durch Musikshows oder Umarmungen für eine kleine Klientel, hieß es in einer Erklärung. Die Priester spielten damit auf eine Musicalshow an, mit der Milei vor wenigen Tagen sein neues Buch in Buenos Aires präsentierte. “Wir wollen nicht, dass uns jemand von außen – weder die USA noch der Internationale Währungsfonds – vorschreibt, wen wir wählen sollen und welche Wirtschaftspolitik die beste ist”, so die Geistlichen. Sie werfen Milei vor, die ärmeren Bevölkerungsschichten aus dem Blick verloren zu haben. “Und wir hoffen, dass sich dies an den Wahlurnen zeigen wird.”
Allerdings sprechen die jüngsten volkswirtschaftlichen Daten für die Milei-Regierung. Die Armutsrate ist spürbar gesunken, der Staatshaushalt erwirtschaftet Überschüsse, kurz: die argentinische Wirtschaft beginnt, sich nach jahrelangem Niedergang unter den Vorgängerregierungen langsam zu erholen. Doch etliche Skandale in Mileis Umfeld überschatten diese Entwicklung. Zudem zeigt der wackelige Peso-Kurs, dass ein nachhaltiges Vertrauen der Investoren nach wie vor fehlt.
Mit der Parlamentswahl in Argentinien schreitet auch die politische Neuordnung im sogenannten Lithium-Dreieck Argentinien, Bolivien und Chile voran. Milei dürfte mit einem blauen Auge davonkommen. In Bolivien gewann vor wenigen Tagen mit Rodrigo Paz erstmals seit 20 Jahren Sozialismus wieder ein Christdemokrat die Präsidentschaftswahl. Und in Chile deutet sich für die Wahlen im November ebenfalls ein Richtungswechsel an – in diesem Fall von links nach rechtsaußen.