Vorsicht: Es wird wieder in den April geschickt

Von der Schummelei bei der Steuererklärung bis zur Korruption – immer wieder lügen Menschen, um sich Vorteile zu verschaffen. Aprilscherze sind meist harmloser. Seit wann es dieses Brauchtum gibt, ist unklar.

So hemmungslos wie Russlands Diktator Wladimir Putin hat wohl lange schon kein Regierungschef mehr gelogen. Auch Donald Trump lügt einfach weiter, wenn es um seine verlorene Wahl und seinen Anteil am Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 geht. Darf man angesichts solch schrecklicher Vorbilder am 1. April seine Mitmenschen noch in den April schicken? In Zeiten von „Fake News“ und Kriegspropaganda hat der Schabernack an Humorwert verloren.

Und doch hat der Aprilscherz weiter Konjunktur: „Die 37 besten Aprilscherze“ verrät ein Shopping-Portal im Internet. „10 geniale Aprilscherze, mit denen du jeden kriegst“ verkündet eine Tageszeitung. Allerdings verliert sie durch solche Tipps viel von ihrer Spontaneität. Das „in den April Schicken“ ist vor allem in christlich geprägten Ländern und in Indien verbreitet. In den USA etwa feiert man den 1. April als den „April Fool’s Day“, in Frankreich und in Italien wird der Gefoppte als „Aprilfisch“ bezeichnet. Wissenschaftlich gesichert ist, dass die Redensart „in den April schicken“ in Deutschland 1618 in Bayern erstmals auftaucht.

Warum die Tradition, seine Mitmenschen mit mehr oder weniger lustigen Falschmeldungen in die Irre zu schicken, so reizvoll ist, liegt auf der Hand: Anders als an den übrigen 364 Tagen des Jahres darf man am 1. April bewusst die Unwahrheit sagen. Und ausloten, wie weit man gehen kann. Wie beim Karneval hat eine solche Umkehrung der geltenden Konventionen eine entlastende Funktion – gerade in solch düsteren Zeiten wie gegenwärtig.

Für den Hamburger Psychologen Philipp Gerlach gibt es große Unterschiede zwischen Aprilscherzen und Lügen. Zum einen stehe am 1. April nicht der persönliche Profit, sondern die Schadenfreude im Vordergrund, erklärt der Dozent an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Zudem würden Aprilscherze vom Lügner selbst aufgelöst („April, April“). „Eine solche Auflösung geschieht bei den üblichen Lügen meist nicht durch den Lügner selbst und eher unfreiwillig.“

Gerlach war Mitautor einer 2019 veröffentlichten Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und israelischer Wissenschaftler mit über 44.000 Teilnehmern und vielen Experimenten. Dabei haben die Autoren herausgefunden, dass Männer tendenziell leicht mehr lügen als Frauen. Gerlach unterscheidet zwischen „weißen Lügen“, die oft aus Höflichkeit und aus Diplomatie geschehen und beiden Seiten nutzen – und „schwarzen Lügen“, bei denen eine Seite sich Vorteile verschaffen will. Der Aprilscherz steht dazwischen.

Volkskundler sehen mehrere mögliche Ursprünge für die Tradition, die den vom Wetter her oft launischen April einleitet: So sollen die Römer am 1. April zu Ehren der Venus rauschende Feste gefeiert haben, derbe Scherze inklusive. Auch das Herumschicken Jesu nach seiner Verhaftung „von Pontius zu Pilatus“ soll am 1. April stattgefunden haben. Der Tag habe frühen Christen als der Geburtstag des Judas gegolten, schreibt der Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Er sieht zudem Zusammenhänge mit dem germanischen Frühjahrsbrauchtum: Bei den Germanen habe der in den April geschickte Narr den machtlosen Winter verkörpert, der geneckt wurde, damit er sich möglichst schnell verzieht.

Als besonders plausibel gilt unter Volkskundlern aber die Theorie, dass der 1. April auf das Pech von Spekulanten im Jahr 1530 zurückgeht. Auf dem Reichstag zu Augsburg wollte Kaiser Karl V. das Münzwesen neu regeln. Zahlreiche Spekulanten investierten daraufhin ihr Erspartes, um am sogenannten Münztag große Gewinne zu erzielen. Als dieser dann aber nicht wie vorgesehen am 1. April stattfand, verloren sie ihr Geld und wurden zudem noch als „Narren“ ausgelacht.

Eine weitere, häufig angeführte Erklärung ist nach Darstellung des Regensburger Kulturwissenschaftlers Gunther Hirschfelder die Durchführung einer Kalenderreform in Frankreich in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Karl IX. von Frankreich verlegte demnach 1564 den Jahreswechsel vom 1. April auf den 1. Januar. Damit brachte er nicht nur die Tradition durcheinander, am 1. April Geschenke zu verteilen, sondern narrte auch diejenigen, die weiterhin am 1. April Neujahr feierten.