Reform- und Strukturdebatten werden die beiden großen Kirchen in Deutschland auch 2026 begleiten. Zugleich bleiben gesellschaftliche Herausforderungen wie die Auseinandersetzung mit der AfD oder der Krieg in der Ukraine.
“Hab Mut, steh auf!” So lautet das Motto des Katholikentages im Mai 2026 in Würzburg. Und auch wenn, wie bei solchen Großveranstaltungen üblich, Spitzenpolitiker wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vorbeischauen, klingt dieses “Hab Mut, steh auf!” fast wie eine trotzige Form der Selbstvergewisserung.
Vorbei die Zeiten, in denen die beiden großen Kirchen in Deutschland wie selbstverständlich weite Teile der Bevölkerung erreichten. Die Fälle von sexuellem Missbrauch, die auch 2026 im Mittelpunkt von Studien und juristischen Auseinandersetzungen stehen werden, haben den Bedeutungsverlust beschleunigt. Nur noch etwa jeder zweite Bundesbürger ist Mitglied in der katholischen oder der evangelischen Kirche – Tendenz weiter fallend.
Dabei wächst angesichts der Herausforderungen in Politik und Gesellschaft der Bedarf an Orientierung. Im kommenden Jahr finden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern statt. Dazu kommen die Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin sowie Kommunalwahlen in Bayern, Hessen und Niedersachsen. Die AfD dürfte vielerorts weiter zulegen. Die Frage, wie damit umzugehen ist, beschäftigt auch die Kirchen. “Hab Mut, steh auf!” – das gilt nicht zuletzt für jene, die auf Ebene der Bistümer und Landeskirchen, in Gremien und Verbänden Verantwortung tragen.
Wie ein dunkler Schatten lastet Russlands Krieg in der Ukraine auch auf dem kommenden Jahr. Deutschland solle “kriegstüchtig” werden, formulierte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Die Debatte über eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht läuft längst; immer wieder berichten Medien über Rüstungsausgaben in Milliardenhöhe. Die Kirchen, die eigentlich die Friedensbotschaft Christi verkünden, müssen sich verstärkt mit Fragen zum Krieg befassen.
Anfang Dezember berichtete die Zeitschrift “Publik-Forum” über ein Arbeitspapier mit dem Titel “Ökumenisches Rahmenkonzept Seelsorge und Akutintervention im Spannungs-, Bündnis- und Verteidigungsfall”. Das Konzept beschreibe, wie Gemeinde-, Notfall- und Krankenhaus- sowie Polizei- und Gefängnis-Seelsorge den Staat im Kriegsfall unterstützen können, hieß es. Ist das vorausschauend – oder der Einstieg in die Kriegsvorbereitung, wie Kritiker befürchten? Diese Gratwanderung geht für die beiden großen Kirchen 2026 weiter.
Innerkirchlich dürften die Diskussionen über künftige Schwerpunkte an Dringlichkeit weiter zunehmen. Die finanziellen Spielräume werden enger, die Zahl an hauptamtlichen Kräften geht zurück. Dies wirkt sich nicht nur auf die seelsorgliche Begleitung in Pfarreien und Gemeinden aus. Krankenhäuser und Seniorenheime, Kindergärten und Schulen, Hilfen für Flüchtlinge und sozial Benachteiligte: Das gesellschaftliche Engagement der Kirchen deckt immer noch ein weites Spektrum ab. Manches davon wird auf dem Prüfstand stehen.
Beim Deutschen Caritasverband, katholischerseits das Schwergewicht im sozialpolitischen Bereich, wird im kommenden Jahr die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger für Eva Maria Welskop-Deffaa beginnen. Die Caritas-Präsidentin hat angekündigt, die Leitung des größten deutschen Wohlfahrtsverbands Ende 2026 abzugeben.
Mit Spannung blicken Beobachter auf die Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe vom 23. bis 26. Februar in Würzburg. Dort steht turnusgemäß die Wahl des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz an. “Hab Mut, steh auf!” Wird der bisherige Amtsinhaber, Bischof Georg Bätzing, erneut kandidieren – oder gibt es einen Wechsel?
Unterdessen geht der Dialog über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland weiter. In Stuttgart findet, direkt zu Beginn des neuen Jahres, vom 29. bis 31. Januar die letzte Vollversammlung des Reformprozesses Synodaler Weges statt. Zu den Ergebnissen der von der Bischofskonferenz mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken 2019 gestarteten Initiative gehört ein neues Gremium, in dem Bischöfe und katholische Laien ihre Beratungen verstetigen wollen: die Synodalkonferenz. Sie könnte erstmals am 6. und 7. November in Stuttgart zusammenkommen. Wenn der Vatikan zustimmt.