Von Produktionsstätte bis Klubhaus

Kundi ist zurück – zumindest vorübergehend in der Ausstellung. Die Comicfigur war in der DDR vor allem bei den Jüngsten bekannt. Mit Pudelmütze, gelber Jacke und blauer Hose war das gut gelaunte Männchen lange Zeit das Maskottchen des Dresdner Hygiene-Museums. In Zeitungen, Trickfilmen und Bildbändchen gab es Generationen von Kindern Tipps zu Hygiene und Gesundheit.

Als lebensgroße Figur ist Kundi nun Teil der neuen Ausstellung „VEB Museum“, die ab Sonnabend im Deutschen Hygiene-Museum Dresden zu sehen ist und bis Mitte November die jüngere Vergangenheit des Hauses präsentiert. Das Museum hat darin erstmals seine eigene DDR-Geschichte aufgearbeitet – von der frühen Nachkriegszeit bis zum Neustart in der 90er Jahren. Im Mittelpunkt steht das vielschichtige Profil.

Direktorin Iris Edenheiser verweist darauf, dass das Hygiene-Museum in der DDR nicht nur als staatliches „Institut für Gesundheitserziehung“ ein gut besuchter Ausstellungsort war, sondern auch ein Produktionsbetrieb für anatomische Modelle und andere medizinische Lehr- und Aufklärungsmittel. Zudem erfüllte es eine Funktion als „Klubhaus“, in dem kulturelle Veranstaltungen für und mit den Beschäftigten stattfanden.

Die Kuratorinnen Susanne Wernsing und Sandra Mühlenberend haben die Ausstellung als Rundgang durch ein Werk angelegt – als DDR-Großbetrieb, in dem neben der Produktion auch Machtstrukturen verhandelt, Gesundheitsvorsorge und Bildung betrieben sowie Feiern organisiert wurden. Objekte, Fotografien, Installationen und Zeitzeugenberichte veranschaulichen die Geschichte des auch in der DDR exponierten Museums, das zwar kein klassischer staatlicher Volkseigener Betrieb (VEB) war, jedoch durchaus ähnliche Strukturen hatte.

Der Zeithistoriker Thomas Lindenberger begrüßt die Ausstellungsidee: Der inszenierte Betrieb eigne sich als „ein Kosmos im Kleinen, der das Funktionieren der DDR im Großen nachvollziehbar macht“, sagt er. Die thematische Bandbreite reicht von Brigaden, Zirkeln und Faschingsfeiern über Mangelwirtschaft und Produkte bis hin zu Stasi-Kontrolle, internationalen Beziehungen und Export.

„Das Leben in der DDR war Tag für Tag mit dem politischen System verbunden“, sagt Lindenberger. Doch es habe nicht nur Schergen und Unbeteiligte gegeben. „Viele Menschen führten auf eine individuelle Art und Weise ein sinnvolles Leben in der DDR“, sagt der Forscher.

Für die Authentizität haben die Kuratorinnen der neuen Dresdner Ausstellung mit zahlreichen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gesprochen, darunter mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden des Hygiene-Museums. Erzählt wird unter anderem vom Umgang mit dem Mangel und einem maroden Gebäude. Museumsmitarbeiter mussten demzufolge Heizungen reparieren und dafür notwendige Ersatzteile selbst herstellen. In der Abteilung „Macht“ wird am Beispiel der Umweltverschmutzung gezeigt, wie das Museum Themen aus politischen Gründen fallen ließ.

Die Ausstellung veranschaulicht auch ostdeutsche Transformationserfahrungen am Beispiel des Hygiene-Museums: Nach 1990 wurde dort das Personal von 300 auf 60 Mitarbeitende reduziert. Die Lehrmittelproduktion des Museums übernahm 1991 ein Hamburger Unternehmen. Auch Kundi hatte ausgedient: Sein Zauberfernrohr reichte bis in die Kinderzimmer – befürchtet wurden Assoziationen mit den Praktiken der Stasi. Kurzzeitig stand sogar der heute so erfolgreiche Museumsbetrieb auf der Kippe.

Die Ausstellung unter Schirmherrschaft des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, Carsten Schneider (SPD), richtet sich gleichermaßen an ein Publikum mit ostdeutscher Sozialisation wie an Besucherinnen und Besucher, denen die DDR aus eigenem Erleben nicht vertraut ist. Laut Schneider lädt sie dazu ein, Vorstellungen über „den Osten“ zu hinterfragen. Museumschefin Edenheiser sagt, in der Aufarbeitung der ostdeutschen Vergangenheit gebe es noch immer viel zu tun – nicht zuletzt mit Blick auf eine politische Instrumentalisierung der DDR-Erinnerungen.