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Von Narren und Eiern

Friedrich Schorlemmer über „Luther und die Aufgaben der staatlichen Gewalt“

LEMGO – Über verantwortliches politisches Handeln in der Tradition Martin Luthers sprach der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer (Wittenberg) in Lemgo im Rahmen des Jubiläums „500 Jahre Reformation“. Gewissenhaftes Regierungshandeln setze Klugheit, Kompromissbereitschaft und den Willen voraus, sich für das Wohl des Gemeinwesens einzusetzen, betonte Schorlemmer in seinem Vortrag „Narren soll man nicht über Eier setzen – Martin Luther und die Aufgaben der staatlichen Gewalt“. Eingeladen hatten die Lutherische Klasse der Lippischen Landeskirche und die Stadt Lemgo.
Für den Reformator sei es eine unzweifelhafte Grundwahrheit gewesen, dass die Fürsten über das Volk zu herrschen hätten, erläuterte der Theologe. Diese Herrschaftsbefugnis dürfe aber nicht mit der Billigung von Willkür und Eigenmächtigkeit verwechselt werden. Luther habe von den Fürsten verlangt, dass ihre Herrschaft dem Volk diene und nutze. Anderenfalls trete ein, wovor Luther bildkräftig gewarnt habe: „Narren soll man nicht über Eier setzen; sie zerbrechen dieselbigen.“
Schorlemmer, der von 1990 bis 1994 Vorsitzender der SPD-Fraktion im Wittenberger Stadtrat war, betonte, er verfüge über Politikerfahrung und könne deshalb einiges an Luthers Ausführungen zur staatlich legitimierten Gewalt nachvollziehen – natürlich alles aus der historischen Distanz.
Der Theologe gab zu bedenken, dass es fragwürdig sei, zur Rechtfertigung staatlicher Gewalt allein auf Mehrheitsverhältnisse zu verweisen. Die Mehrheit des „Volkes“ beziehungweise der Wähler hinter sich zu wissen, sei nicht ausreichend, jede Entscheidung zu begründen. Deutschland habe in dieser Hinsicht zwischen 1933 und 1945 sehr bittere Erfahrungen sammeln müssen. „Wenn es nur danach geht, dass die Mehrheit entscheidet, kann diese Macht die Demokratie bedrohen“, so Schorlemmer. Die Kunst liege darin, den schmalen Grat des wahren Kompromisses zwischen engstirnigem Partikularinteresse und bequemem Opportunismus zu finden. Das habe Luther vor 500 Jahren ebenso gewusst wie verantwortungsvolle Politiker heute. UK