Von knauserigen Gebern

Über Kollekte und eine Peinlichkeit schreibt Pastor Tilman Baier. Er ist Chefredakteur der Kirchenzeitung in Schwerin.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Da Gott aber kann machen, dass allerlei Gnade
unter euch reichlich sei, dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten Werken.“ aus dem 2. Korintherbrief 9, 6-15

Beim Kollektezählen nach dem Gottesdienst, zu dem er als Vertretungspastor gefahren war, meinte der diensthabende Kirchenälteste zu ihm: Es sei ja kein Wunder, dass so wenig zusammengekommen sei. Schon wieder hätten sie für irgendein Projekt in Afrika sammeln müssen, von oben angeordnet. Dabei bräuchten sie doch hier jeden Cent für die neue Glocke … Aber warum er, der Pastor, nicht über dem Klingelbeutel ein Gebet gesprochen habe, als er ihn zum Altar gebracht hatte?! Bei ihnen sei es üblich zu sagen: „Herr, nimm an dies Opfer unseres Dankes.“
Einen Augenblick hatte er überlegt, ob er sagen sollte, was er dachte. Dass es eher peinlich sei, wenn bei 30 Gottesdienstbesuchern 26,20 Euro für die Ärmsten der Armen zusammenkommen. Dass es Gotteslästerung sei, dies als „Opfer unseres Dankes“ auf den Altar zu legen. Aber er ließ es. Vielleicht waren ja für jemanden die zwei oder fünf Euro wirklich ein Opfer gewesen.
Mit knauserigen Gebern und egoistischen Gemeinden musste sich schon Paulus auseinandersetzen. Im Predigttext, sicher nicht zufällig für diesen Erntedanksonntag ausgewählt, bittet er um Geld für die arme Urgemeinde in Jerusalem. Das Problem ist: Die Jerusalemer Judenchristen sind zwar offiziell hoch angesehen, gelten aber in der jungen Christenheit außerhalb Palästinas als hochmütig. Denen Geld geben? Schließlich gibt es auch in der eigenen Gemeinde von Korinth reichlich Arme, denen geholfen werden muss.
Paulus appelliert an die Großherzigkeit der Korinther, die er schon im Voraus überall gerühmt habe, wie er ihnen listig schreibt. Und er stellt ihnen in Aussicht, dass bei einer guten Kollekte viele Gott danken werden, dass es diese Gemeinde gibt. Dann aber kommt der entscheidende Satz, der sich auch gegen unser Reden von „Das Boot ist voll“ und Obergrenzen, die unsere Hilfe nun mal haben müsste, richtet: Gott wird es machen, dass wir genug haben – „zu allerlei guten Werken“.
Mit etwas mehr Gottvertrauen, da wäre Paulus sicher, würde es sowohl für das Projekt in Afrika als auch für die eigene neue Glocke reichen. Erntedank macht wieder Mut dazu.
Unser Autor
Pastor Tilman
Baier ist Chefredakteur der Kirchenzeitung in Schwerin.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.