Von Herz zu Herz – EU-Songbook ab jetzt im Verkauf

“Die Gedanken sind frei” und “Von guten Mächten wunderbar geborgen”: Diese beiden Lieder sind von jetzt an Teil des ersten EU-Songbooks mit rund 160 Klassikern. Singen vereine alle Kulturen, sagt eine Musiksoziologin.

Von Herz zu Herz, hinweg über alle Grenzen: Die beliebtesten Lieder Europas gibt es jetzt erstmals in einem gemeinsamen Heft. Von “gefühlvollem Austausch” zwischen den Nationen sprechen die Initiatoren des jetzt erschienenen EU-Songbooks. Und in der Tat: Wer sich die App herunterlädt und hier und da per angegebenem Youtube-Kanal in die unterschiedlichen Lieder hineinhört, hat das Gefühl, dass er ein wenig eintaucht in die Seele des Kontinents. “A song for Ireland” von den Dubliners etwa schwingt in typisch irischen Folkklängen. Oder es klingt ohrwurmmäßig italienisch: “O sole mio”.

Es soll eine Liedersammlung sein, die Europa eint, das neue “EU-Songbook” mit je sechs Stücken aus den 27 Mitgliedsstaaten. Beteiligt waren rund 100 Musikorganisationen und mehr als 80.000 Bürgerinnen und Bürger, die über die Auswahl abgestimmt haben. Insgesamt neun Jahre hat die Produktion des Buches gedauert.

Die insgesamt mehr als 160 Klassiker stehen in den Originalsprachen im EU-Songbook, sie sind aber auch in “singbares Europäisches Englisch” übersetzt worden. Wer die Lieder hören möchte, gelangt mittels QR-Codes zu Originalaufnahmen.

Singen vereine Kulturen, sagt Melanie Wald-Fuhrmann, Direktorin der Abteilung Musik am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main. “Wir kennen keine Kultur, in der nicht gesungen wird. Die Funktion ist dabei europaweit ähnlich. Mit einem Wiegenlied etwa beruhigen Eltern ihre Kinder und singen sie in den Schlaf. Auch Liebeslieder gibt es in allen Kulturen genauso wie religiöse Gesänge, Lieder für Feste oder Kriegslieder.”

Für das Buch wurden die Lieder in sechs Rubriken eingeteilt: Liebeslieder, Naturlieder, Friedens- und Freiheitslieder, Volkslieder, spirituelle Lieder und Kinderlieder – jedes EU-Land durfte für jede Sparte ein Lied auswählen. Deutschland ging dabei “auf Nummer sicher”, sagt Wald-Fuhrmann. Es habe echte Klassiker ausgewählt – so etwa “Geh’ aus mein Herz und suche Freud”, gedichtet nach dem Dreißigjährigen Krieg vor 400 Jahren von Paul Gerhardt und bis heute etwa auf Hochzeiten in der Kirche gern gesungen. Oder auch das Wiegenlied “Guten Abend, gute Nacht”, was wahrscheinlich fast jeder Deutsche mit seinen Eltern und dem abendlichen Zubettgehen verbindet.

Unter der Rubrik Friedens- und Freiheitslieder wählte es “Die Gedanken sind frei” – ein Lied, das seit Jahrhunderten in Deutschland in verschiedenen Fassungen existiert und als Symbol der Freiheit gilt. NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl spielte es etwa abends an der Gefängnismauer für ihren Vater auf der Blockflöte, als dieser 1942 inhaftiert war.

“Die Lieder, die im Song-Book unter der Rubrik Freiheit und Frieden ausgewählt worden sind, spiegeln die nationale Identität wider. Bei den osteuropäischen Ländern geht es oft um nationale Selbstständigkeit”, sagt Wald-Fuhrmann.

Wer sich mit der internationalen Auswahl näher beschäftigt, macht manch beglückende Entdeckung: So ist etwa für Schweden das Kinderlied “Idas Sommarvisa” (Idas Sommerlied) aus den Michelfilmen dabei, für das Astrid Lindgren vor Jahrzehnten die Lyrics geschrieben hat und das – so erklärt es die App zum Songbook – in Schweden jedes Kind kennt.

Das älteste Lied ist laut Angaben ein griechischer byzantinischer Hymnus (330-1453), das jüngste der Siegertitel der Portugiesin Luisa Sobral beim Eurovision Song Contest 2012.

Das Songbuch sei “eine der schönsten Ideen, die Europa je hervorgebracht hat”, sagt der Präsident des Verbandes Deutscher KonzertChöre VDKC, Dirigent Eckehardt Klemm, der für Deutschland bei dem Projekt beteiligt war. Und der Däne Jeppe Marsling, Gründer der hinter dem Projekt stehenden gemeinnützigen Organisation, nennt als Ziel: dass die Bevölkerungen durch den Austausch von Liedern “ein weniger paralleles Leben führen”.

So manches der ausgewählten Lieder sei nicht ganz einfach selbst zu singen, findet Musik-Expertin Wald-Fuhrmann – gerade wenn es sich um Lieder aus der Popmusik handelt, die ursprünglich von professionellen Interpreten gesungen wurden. “Abwarten, ob das zum allgemeinen Liedgut wird. Ich hoffe aber, dass sich vielleicht doch das eine oder andere Lied beim Singen am Lagerfeuer durchsetzen wird.”