Von Buddha, Bardakhshan und Burka

Unter dem Titel „Stuttgart-Afghanistan“ erzählt das Linden-Museum vom 27. Januar bis 28. Juli in einer Sonderausstellung die vielfältigen Verbindungen zwischen Stuttgart, Deutschland und Afghanistan in Geschichte und Gegenwart. Besonders sei der partizipative Ansatz, sagte die Direktorin des Stuttgarter Lindenmuseums, Inés de Castro, am Donnerstag vor Journalisten. So wurde die Sonderausstellung seit 2019 gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe entwickelt, zu der Menschen aus der Region Stuttgart mit und ohne Afghanistan-Bezug gehören, ebenso wie Partner aus dem universitären und künstlerischen Bereich.

Laut Annette Krämer, Kuratorin der Ausstellung, ist „Stuttgart-Afghanistan“ keine klassische Länderausstellung: „Wir erzählen viele einzelne, vielschichtige Geschichten der Beziehung zwischen den beiden Ländern.“ Dazu gehöre auch die Geschichte der Objekte, die teilweise einen „faden Beigeschmack der Provenienz“ hätten. So seien zum Beispiel Marmorkunstwerke aus Ghazni als sogenannte „Meisterwerke“ in den 1970er und 1980er Jahren vom Lindenmuseum durch staatliche Mittel zu hohen Preisen angekauft worden – ohne nachvollziehbare Dokumentation.

In der Ausstellung wird zum Beispiel eine marmorne Wandverkleidung aus dem 12. Jahrhundert aus Ghazni gezeigt, die später an einem Schrein einer afghanischen Pilgerstätte verbaut wurde, wie ein Foto aus dem Jahr 1962 zeigt. Wegen politischer Unruhen, die illegalen Kunsthandel ermöglichten, seien die Marmorobjekte einige Jahre später in Stuttgart gelandet. „Obwohl das nicht hätte geschehen sollen“, sagte Krämer. Es werden in der Schau aber auch Objekte gezeigt, die mit Billigung Afghanistans sich in Museen in Rom und Paris befinden, wie beispielsweise der Kopf eines Buddhas aus vorislamischer Zeit zeigt.

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet die Stuttgarter Badakhshan-Expedition 1962/63, die größte und längste Forschungsreise des Linden-Museums. Hier wurde mit staatlicher Erlaubnis Afghanistans in der Provinz Badakhshan geforscht und gesammelt – samt der Verpflichtung auch für Kabul eine ethnologische Badakhshan-Sammlung anzulegen. Diese Sammlung, die in Kabul verschollen ist, wurde durch Duplikate oder ähnliche Objekte anhand von Notizen rekonstruiert und ist in der Ausstellung zu sehen. Doch Badakhshan war für Württemberg schon viel früher ein Begriff – denn von dort stammt der berühmte blaue Stein Lapislazuli, der sich auch in den Beständen der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg befindet.

Auch Werke von Abdul Ghafur Brechna (1907-1974), der einer der bedeutendsten Künstler Afghanistans war, und mit 14 Jahren zur Ausbildung nach Deutschland kam, begleiten die dargestellten Themen. Unter den Werken befindet sich ein Aquarell, das einen „Siemens-Delegierten“ in Kabul auf einem Fahrrad zeigt, neben ihm eine Frau in Burka, die zu Fuß geht und Menschen, die einen Kleinbus beladen. Es ist der humorvolle, „afghanisch-deutsche Blick“ auf eine Zeit, in der westdeutsche Fachkräfte in Afghanistan lebten und arbeiteten.

Hosa Mangal ist eine Deutsch-Afghanin, die bei der Arbeitsgruppe war und die Ausstellung mitvorbereitet hat. Ihr Vater, ein Künstler, habe bei Brechna damals sein Handwerk gelernt, sagt sie und zeigt ein Gemälde ihre Vaters, das auch in der Ausstellung zu sehen ist. „Ich habe beim Vorbereiten der Ausstellung so viel über meine Kultur gelernt: Sie ist so reich – hoffen wir, dass die Zukunft Afghanistans wieder besser wird und dieser Reichtum wieder mehr zum Vorschein kommt.“

Eine Bücherecke und Teestube laden zum Schmökern und zum Austausch ein. Während der Ausstellung soll zudem ein künstlerisches Gemeinschaftswerk entstehen, das ein amerikanischer Künstler mit afghanischen Wurzeln, Aman Mojadidi, initiiert: Aus Stofffetzen wird Stück für Stück eine Flagge genäht, die Menschen vereint – in der Hoffnung auf eine Gemeinschaft ohne trennende Barrieren. (0169/25.01.2024)