Vom Zauber des Einsiedlers

Albert Aereboe wurde zunächst Kirchendekorationsmaler. Später wurde der Pastorensohn eine faszinierende Künstlerpersönlichkeit, auf deren Spuren man nun in Kiel wandeln kann.

„Der Einsiedler“ steht im Mittelpunkt der Ausstellung über Albert Aereboe
„Der Einsiedler“ steht im Mittelpunkt der Ausstellung über Albert AereboeSönke Ehlert /Kunsthalle Kiel

Kiel. Das großformatige, rätselhafte Tafelbild „Der Einsiedler“ (1927) steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Zauber der Wirklichkeit“, die bis zum 5. September in der Kunsthalle zu Kiel zu sehen ist. Das Bild ist gleichzeitig ein Höhepunkt Albert Aereboes künstlerischer Laufbahn. Rund 60 hochrangige, zum Teil selten gezeigte Leihgaben aus Museen und Privatbesitz laden dazu ein, sich auf die Spuren dieser Künstler­persönlichkeit zu begeben. Eine faszinierende Entdeckungsreise!

Albert Aereboe wurde als Sohn des lutherischen Pastors am Dom zu Lübeck 1889 geboren. Albert ist bereits im Kindesalter fasziniert von der Architektur und den Kunstschätzen des Lübecker Doms. Insbesondere der Passionsaltar von Hans Memling hinterlässt einen tiefen Eindruck und beeinflusst später seinen Malstil wie auch die Inspiration von Albrecht Dürer, die sich entdecken lässt. Ein vom Format her ungewöhnliches „Selbstbildnis in der Turmstube“ zeigt ihn vor einem Fenster mit Blick auf seine Heimatstadt Lübeck, mit dem nördlichen Domturm und der Petri-Kirche im Hintergrund.

Fasziniert von Kirchen

Durch seine Faszination für Kirchen und sein Leben im Pfarramt bildet er sich als Kirchendekorationsmaler in Berlin aus. Er zieht aber wieder zurück nach Lübeck und besucht dort eine private Kunstschule. Sein Weg führt ihn auch nach München. Dort studiert er vier Jahre Malerei. Nach dem Kriegsdienst stellt Aereboe freischaffend in Lübeck aus und präsentiert 1919 in einer Hamburger Galerie seine Arbeiten in einer ersten Einzelausstellung.

Im selben Jahr wird dem Künstler die Leitung der Klasse für Dekorative Malerei an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Kassel angeboten. Später wird er dort Professor. Diese Zeit wird seinen weiteren Lebensweg prägen, denn hier lernt er die Bremer Künstlerin und seine spätere Frau Julie Katz kennen, die die Klasse für Textiles leitet und dort ebenfalls ihre Professur erhielt. Mit ihr zieht er nach Sylt, um sich auf die eigene Kunst zu konzentrieren. Ein mutiger Schritt, weit weg von den Kunstmetropolen. Gerade als ihr Haus 1927 fertiggestellt war, verstirbt seine Frau unerwartet.

Große Trauer

Die große Trauer darüber zeigt sich auch in seiner Kunst. Themen wie Verlust, Vergänglichkeit, Veränderung und Tod prägen danach Aereboes künstlerisches Schaffen. „Das tote Lamm“ malte er kurz danach. Das Lamm ist zerrissen. Das Lamm steht auch für den Opfertod Jesu und ist bereits als Opfertier im Alten Testament bekannt.
„Julies blauer Malkittel“ zeigt das Leben, das zu Ende gegangen ist. Übrig geblieben ist nur ihr zusammengefalteter Malkittel auf ihren ausgedienten Hausschuhen und ein verwelktes Eichenblatt. Ein trauriges und zugleich rätselhaftes und mysteriöses Bild.

Mysteriöse nackte Frau

Zu seiner Trauerbewältigung gehört auch das zentrale Bild der Ausstellung „Der Einsiedler“ von 1927. Höchstwahrscheinlich ist die nackte Frau, die mysteriös im Hintergrund die Tür öffnet und in das Zimmer hineintritt, seine Frau. Das Bild, das die Kunsthalle schon zu Lebzeiten Aereboes (1936) erworben hat, ist eine Auseinandersetzung des Malers mit dem Tod und dem Weiterleben. Als ein Zeichen der Hoffnung ist der Regenbogen zu sehen.

Das stilistisch ausgesprochen breite Spektrum seiner Arbeiten erscheint in vielfacher Hinsicht von verschiedenen zeitgenössischen Tendenzen beeinflusst. Nach 1945 vollzieht Aereboe eine radikale künstlerische Wende von der Gegenständlichkeit hin zur Abstraktion. Auch diese Arbeiten sind in der Ausstellung zu sehen.

Liebe für die Insel

Aereboe bleibt nicht dauerhaft auf Sylt, aber kehrt immer wieder dorthin zurück und wohnt fast dreißig Jahre auf der Insel. „Ich bin lieber hier auf der Insel, weil hier der Himmel überall ganz bis auf die Erde geht“, beschreibt er. So sind viele seiner Arbeiten auch hier entstanden. Am 6. August 1970 stirbt Aereboe in Lübeck, er wird auf Sylt beigesetzt.