Es war nur wenige Monate nach der bedingungslosen Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands. Im nordhessischen Treysa kamen gut 120 Delegierte aus allen deutschen Landeskirchen zur ersten “Treysaer Kirchenkonferenz” zusammen. Im geografischen Zentrum der vier alliierten Besatzungszonen überlegte man, wie es mit dem deutschen Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg weitergehen sollte.
Es wurden schwere Verhandlungen, maßgeblich geprägt von zwei Antagonisten, dem prominentesten Vertreter der Bekennenden Kirche, Martin Niemöller, und dem lutherischen Landesbischof von Württemberg, Theophil Wurm. Und am Ende der ersten Tagung stand am 31. August 1945 in Treysa die Gründung eines Provisoriums: des ersten Rates der EKD.
Evangelische Kirche mit neuem Namen nach 1945
Zum ersten Mal wurde dabei auch der Name “Evangelische Kirche in Deutschland” benutzt. Denn den Begriff “Deutsch”, so wie er vor dem Krieg im Namen der “Deutschen Evangelischen Kirche” verwendet wurde, sollte künftig hintanstehen. “Deutschland” sollte nach den Verbrechen der Nazis nur noch eine geografische Bezeichnung sein. Bis die EKD wirklich zu dem wurde, was sie heute ist, vergingen indes noch Jahre: Erst 1947 konnte man sich darauf einigen, dass die EKD ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen sein sollte.

Und ein Jahr später, 1948, kam erstmals die Synode der EKD zusammen. Dann erst wurde auch die Grundordnung der EKD in Eisenach verabschiedet. Immerhin: Schon dem ersten Rat der EKD gehörten neben Wurm und Niemöller auch mehrere Laien an, darunter der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann. Heute ist der Rat der EKD größer geworden: Statt zwölf gehören ihm nun 15 Mitglieder an. Manche Prinzipien von damals gelten weiter fort: Unierte, Lutheraner und Reformierte sollten gleichermaßen in ihm vertreten sein, Laien und Ordinierte ebenso wie Vertreter aller geografischen Regionen der EKD. Doch erst am 9. November 1989 sollte die in Bad Krozingen versammelte Synode der EKD Beschlüsse zur Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche fassen. Erst seit damals gibt es eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in ihren Leitungsgremien. Erst 2009 erhielt die EKD mit Margot Käßmann ihre erste Ratsvorsitzende.
Evangelische Kirche zwischen Tradition und Laienbeteiligung
Ein Laie freilich hatte dieses Amt bislang noch niemals inne – auch wenn die Grundordnung der EKD an keiner Stelle eine Ordination für das Amt des Ratsvorsitzenden vorschreibt. Immerhin: Einmal schon gab es einen stellvertretenden Ratsvorsitzenden, der nicht zugleich leitender Geistlicher einer Landeskirche war: Nach dem Rücktritt Käßmanns, 2010, übernahm der NDR-Moderator Uwe Michelsen für eine Zeit das Amt des stellvertretenden Ratsvorsitzenden. Bei allen folgenden Wahlen allerdings setzten sich die Träger eines Amtes gegen das Priestertum aller Gläubigen durch.
Hauptaufgabe des Rates ist es übrigens, die Kirche zwischen den Tagungen der Synode “zu leiten und zu verwalten”, wie es in der Grundordnung der EKD heißt. Zudem vertritt der Rat die EKD nach außen – wohlgemerkt: der ganze Rat, auch wenn sich die öffentliche Wahrnehmung meist auf den oder die Ratsvorsitzende konzentriert. Und mit Verordnungen kann der Rat die Kirche auch dann leiten, wenn sich die Synode nicht versammeln kann – eine Regelung, die im Zuge der Corona-Pandemie ungeahnte Aktualität bekam.
Evangelische Kirche beschließt neue Grundordnung für ihre Zukunft
Verglichen mit Treysa vor 80 Jahren hat sich die EKD in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Und erst vor einigen Jahren geschah etwas, was die Gründerväter der Evangelischen Kirche in Deutschland damals noch vehement abgelehnt hätten: Die Gremien der EKD ebenso wie die Synoden ihrer Gliedkirchen beschlossen mit einer Grundordnungsänderung, dass die EKD “als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen auch selbst Kirche” sei. Die Zeit des Kirchenbunds scheint damit wohl vorbei.
