Vom Alltag der Religionen

Die Ausstellung „Religramme“ stellt Menschen verschiedener Religionen vor. Hier erzählen ein Hindu und eine Jüdin, die auch Anfeindungen erlebt.

Balsubramanian Ramani aus Indien bei einem Gebet in einem Hindu-Tempel in Hannover
Balsubramanian Ramani aus Indien bei einem Gebet in einem Hindu-Tempel in HannoverPatrice Kunte / epd

Wolfsburg/Hannover. In dem Gewerbegebiet liegt der Duft indischer Räucherstäbchen in der Luft. Hinter der Fassade eines unscheinbaren Gebäudes in Hannover verbirgt sich Norddeutschlands größter hinduistischer Tempel. Zwischen Götterfiguren und Kerzen sitzt der 38-jährige Balsubramanian Ramani mit geschlossenen Augen auf dem Boden und lauscht dem monotonen Gesang des Priesters.
Ramani ist einer von 20 Vertretern verschiedener Religionen, die sich zurzeit in Wolfsburg in der Wanderausstellung „Religramme – Gesichter der Religionen“ präsentieren. Für die Ausstellung hat sich Ramani im Tempel und zu Hause fotografieren lassen. In einem Interview erzählt er von seinem Leben. Dabei ist ihm wichtig, eine ehrliche Perspektive auf den Glauben zu vermitteln.

Gebetet wird morgens und abends

„Für mich ist Hinduismus nicht nur Religion, sondern eine Lebensweise“, sagt Ramani. Der aus Indien stammende promovierte Naturwissenschaftler nimmt mehrmals in der Woche an den Ritualen im Tempel teil. Auch zu Hause betet er jeden Morgen und jeden Abend. „Ich danke dafür, dass ich den Tag überlebt habe, es kann ja immer etwas passieren.“
Der Ausstellungsmacher, Professor Wolfgang Reinbold von der hannoverschen Landeskirche, nennt das Projekt bundesweit einmalig. In Deutschland habe die Vielfalt der Glaubensrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Diese Entwicklung werde durch die hinzukommenden Flüchtlinge noch verstärkt. „Dieser multireligiösen Realität geben wir Gesichter.“
Die Wanderausstellung soll auch den Dialog der Religionen fördern. Insgesamt 20 Frauen und Männer aus 20 Religionsgemeinschaften werden auf Schautafeln porträtiert. Neben den Jesiden sei das Christentum mit fünf Personen aus fünf Glaubensrichtungen vertreten, dazu je vier Muslime, Juden und Buddhisten sowie zwei Hindus. In anderen Ländern wollten Menschen dieser Religionen oft nichts miteinander zu tun haben, erklärt Reinbold. „Wir zeigen damit auch, dass ein friedvolles Miteinander möglich ist.“ Ein begleitendes Buch zur Ausstellung erkläre die Hintergründe der Glaubensrichtungen.

Unterwegs mit der Tageslosung

Um besonders jungen Menschen einen möglichst einfachen Einstieg in die Welt der Religionen zu geben, informieren die 20 Protagonisten zudem im Internet über ihren Alltag. Im sozialen Foto-Netzwerk „Instagram“ veröffentlichten sie private Bilder unter dem Hashtag „#religramme_ausstellung“, erläutert Reinbold, der auch Vorsitzender des Vereins „Haus der Religionen“ in Hannover ist.
Die lutherische Vertreterin Wencke Breyer hat unter anderem in einem Park ihr Smartphone gezückt, ein Foto gemacht und es gepostet. Sie sei an diesem Tag bewusst „mit der biblischen Tageslosung im Kopf“ durch die Natur gelaufen, sagt die 38-Jährige. Vor allem erhofft sie sich von der Ausstellung einen stärkeren Dialog zwischen den Religionen, sagt Breyer, die sich in ihrer Freizeit vor allem kirchenpolitisch in der Landessynode engagiert.

Anfeindungen gegen Jüdin

Judit Marach hat erst mit der Zeit gelernt, offener mit ihrem jüdischen Glauben umzugehen. „Ich habe immer wieder vor allem verbale antisemitische Anfeindungen erlebt“, erzählt die 22-jährige gelernte Altenpflegerin aus Hannover. Mittlerweile werde sie eher neugierig auf ihren Glauben angesprochen. Auf den Fotos in der Ausstellung trägt Marach Gebetsschal und Kippa, die im Liberalen Judentum auch Frauen erlaubt sind. Stolz lächelt sie in die Kamera.
Marach hat sich mit neun Jahren für das Judentum entschieden. Ihre Mutter stammt aus Israel, ihr Vater ist evangelisch. Wenn sie es mit der Arbeit vereinbaren kann, nimmt sie freitags am Schabbatgottesdienst in der Synagoge ihrer Gemeinde teil. „Meine Gemeinde ist wie meine Familie“, betont die junge Frau. Für die Zukunft wünsche sie sich für den Umgang mit Juden mehr Normalität, so dass keine Sicherheitsmaßnahmen mehr nötig sind. Über das Foto-Netzwerk zeigt sie daher neben religiösen Bildern wie ihrer Halskette mit dem Davidstern auch viele alltägliche Einblicke wie Spaziergänge mit ihrer Hündin. „Mir ist wichtig, dass ich auch als Mensch wahrgenommen werde und nicht nur als Jüdin.“