Visionär gegen Massenarbeitslosigkeit
An Biografien über den genialen Erfinder und Unternehmer Robert Bosch (1861 – 1942) gibt es keinen Mangel. Sogar der spätere Bundespräsident Theodor Heuss brachte schon 1946 – vier Jahre nach Boschs Tod – ein Buch über dessen Leben heraus. Die Neuerscheinung „Sechs Stunden für die Rettung der Welt“, die im Stuttgarter Kohlhammer-Verlag erschienen ist, lenkt nun den Blick auf Bosch als Wirtschaftsdenker. Ergänzend zur Lebensbeschreibung ist hier Boschs Manifest „Die Verhütung künftiger Krisen in der Weltwirtschaft“ abgedruckt und eingeordnet.
Diesen Text aus dem Jahr 1932 hielt Bosch nach eigenen Worten für seine bedeutungsvollste Arbeit – verfasst zu einer Zeit, als die Arbeitslosigkeit im Land mit sechs Millionen Menschen einen Höchststand erreicht hatte und sich der Nationalsozialismus im Aufschwung befand. Darin erteilt Bosch dem Sozialismus eine klare Absage mit der fast süffisanten Aussage, „daß wir auf unserer Erde die Menschen nicht haben, die man braucht, um ein sozialistisches Staatswesen führen zu können.“ Kapitalisten dürften andererseits Arbeitnehmer nicht als Feinde betrachten.
Der Firmengründer schlägt als Strategie gegen Massenarbeitslosigkeit die Absenkung der Arbeitszeit vor – von acht Stunden pro Tag auf sechs. Dafür solle es allerdings keinen Lohnausgleich geben, sondern die Warenpreise sollten aufgrund besserer Planungs- und Herstellungsmethoden sowie durch das Einrichten spezieller Kartelle um 25 Prozent gesenkt werden.
Der Hohenheimer Wirtschaftsprofessor Harald Hagemann ordnet Boschs Aufsatz ein und sieht die größte Stärke und Weitsicht in „seinem engagierten Plädoyer für einen freien Welthandel zur Überwindung der Krise“. Er sei ein Vordenker der Europäischen Union gewesen, meint Hagemann. Für wenig überzeugend hält der Wirtschaftswissenschaftler dagegen Boschs Werbung für Kartelle, die von Beamten überwacht werden sollten. Diese Ansicht habe schon Biograf Theodor Heuss kritisiert.
Bosch war ein unabhängiger Geist, was ihn – dessen Vater der Freimaurerei anhing – 1908 zum Austritt aus der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bewegte. Sein Faible galt der Homöopathie und der Gesundheitspflege, das Stuttgarter Robert-Bosch-Klinikum geht auf ihn zurück.
Auch in seinem Wirtschaftsdenken war er kein Ideologe. Zwar stand er dem Sozialismus sehr kritisch gegenüber, nahm aber den Marxisten Karl Kautsky nach dessen Exil in seinem Haus auf und pflegte gute Nachbarschaft mit der Kommunistin Clara Zetkin während ihrer Stuttgarter Jahre. Deren Mann, der Künstler Friedrich Zundel, ehelichte nach der Scheidung von Clara Zetkin die Bosch-Tochter Paula.
Neben dem Manifest bietet das Buch einen soliden und tiefen Einblick in den Werdegang Robert Boschs: von seiner Kindheit in einem Wirtshaus bei Ulm über seine Lehr- und Wanderjahre, die ihm schnell einen internationalen Blick verschafften, bis zur wirkungsvollen Weiterentwicklung von Magnetzündern für Verbrennungsmotoren, was zum Fundament seines unternehmerischen Erfolgs wurde. Textgrundlage der Neuerscheinung ist eine bereits vor 14 Jahren veröffentlichte Biografie, die Autor Hans-Erhard Lessing nun mit ergänzenden Recherchen insbesondere aus dem Familienkreis sowie mit Bildern bereichert hat. (2414/26.10.2024)