Virologe Drosten: Corona jetzt mit normaler Grippe vergleichbar

Der Berliner Virologe Christian Drosten war zu Pandemiezeiten einer der Wissenschaftler, die öffentlich die Hintergründe erläuterten. Wie er rückblickend die Situation bewertet und wie er Corona inzwischen einschätzt.

Nach den Worten des Virologen Christian Drosten kann eine Corona-Erkrankung mittlerweile mit einer normalen Grippe verglichen werden. Das liege daran, “dass die Bevölkerung weitgehend durchgeimpft ist und sich die meisten Menschen mehrfach infiziert haben”, sagte Drosten der “Augsburger Allgemeinen” (Wochenende). Zu Beginn der Pandemie sei ein solch gemachter Vergleich, wie er von einzelnen Stimmen gekommen sei, aber eine klare Fehleinschätzung gewesen. Der Berliner Professor plädierte dafür, die Pandemie aufzuarbeiten.

Niemals hätte er gedacht, dass nach einem Jahr schon wirksame Impfstoffe vorhanden wären, räumte der Wissenschaftler ein. “Das war großartig, und hat uns viel erspart.” Das heiße aber nicht, dass von Corona keine Gefahr ausgegangen sei. Diese Umdeutung, die im Moment laufe, sei unredlich. Wenn man sich andere große europäische Industrieländer anschaue, sei Deutschland aus medizinischer Sicht gut durch die Pandemie gekommen. “In der ersten Welle sogar exzellent – und das im weltweiten Vergleich. Das hat uns allerdings auch leichtsinnig gemacht vor der zweiten Welle.” Aber selbst hier habe Deutschland bei den Sterbezahlen im Mittelfeld gelegen.

Was sich in den Statistiken niedergeschlagen habe, sei gewesen, dass es im Herbst 2021 ein Problem gegeben habe, die Menschen von der Impfung zu überzeugen, sagte Drosten. “Die vielen schweren Fälle hätten nicht mehr sein müssen.” Vor der Winterwelle 2020 sei die Reaktionsbereitschaft der Politik verloren gegangen, da es den Eindruck gegeben habe, die Wissenschaft sei sich nicht einig.

In Wirklichkeit habe das aber nur an ein paar wenigen Stimmen gelegen, die mit ihren Gegenthesen breiten Raum in der Öffentlichkeit eingenommen hätten, so der Virologe. Das habe die Politik in ihrer Handlungsfähigkeit stark verunsichert. Der Teil-Lockdown habe viel Kraft, Nerven und Geld gekostet, die Inzidenz aber nur schlecht ausbremsen können: “Wir hatten allein in diesem Winter 60.000 Tote – und das wenige Wochen vor Beginn der Impfkampagne.”

Ihm sei klar gewesen, dass man den Menschen am besten helfen könne, indem man die Situation erkläre, mit allen Hintergründen und ehrlichen Prognosen, sagte Drosten. Er empfinde es aber bis heute als unredlich, dass manche die Krise benutzt hätten, um persönlich davon zu profitieren. Die Botschaft, die damals vermittelt habe werden müssen, sei nicht populär gewesen: “Wenn dann Politiker oder sogar Mediziner beginnen, die Fakten aufzuweichen, um den Leuten zu gefallen, werden die ehrlichen Informationsvermittler zur Zielscheibe.” Das mache nicht nur ihn, sondern auch viele seiner Kollegen wütend.